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Archiv-Artikel

„Der Handel müsste ausgesetzt werden“

Anlegerschützer Lothar Gries findet es „Wahnsinn“, dass Porsche den DAX derart durcheinanderwirbeln kann

LOTHAR GRIES, 50, ist Volkswirt und Jurist und Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK)

taz: Herr Gries, die VW-Aktie sorgt für Chaos an der Frankfurter Börse – und die hessische Finanzaufsicht guckt nur zu. Verstehen Sie diese Gelassenheit?

Lothar Gries: Überhaupt nicht. Die VW-Aktie hätte vom Handel ausgesetzt werden müssen. In den USA wäre das auch geschehen. Es ist doch Wahnsinn, dass ein mittelständisches Unternehmen wie Porsche einen so wichtigen Index wie den DAX völlig durcheinanderwirbeln kann.

Was hat Porsche mit den VW-Aktien vor?

Das ist die große Frage. Porsche muss jetzt endlich die Karten auf den Tisch legen. Das Unternehmen hätte wissen müssen, dass es einen Run auf die letzten Aktien auslöst, sobald es mitteilt, dass es bereits mehr als 70 Prozent der VW-Aktien kontrolliert.

An den Börsen kursiert das Gerücht, dass Porsche den VW-Kurs bewusst nach oben getrieben hat.

Es ist durchaus möglich, dass Porsche mit den VW-Aktien spekulieren und einen Milliardengewinn verbuchen will.

Aber sobald Porsche seine VW-Aktien verkauft, dürfte der Kurs doch ins Bodenlose sinken.

Porsche kann das progressiv gestalten. Die Firma muss nicht alle Aktien von heute auf morgen verkaufen. Aber das Verhalten von Porsche ist völlig intransparent. Die Bundesfinanzaufsicht müsste sofort mit Porsche reden, um herauszufinden, was da eigentlich läuft.

Die will sich aber erst nächste Woche äußern.

Das ist viel zu spät. Man muss die Börsen jetzt beruhigen.

Verlierer sind die Hedgefonds, die sich mit VW-Aktien verspekuliert haben. Wie hoch ist das Minus dort?

Da gibt es auch nur Vermutungen. Aber die Verluste dürften einige Milliarden betragen.

Wie wahrscheinlich ist es eigentlich, dass sich Kursexplosionen wie bei der VW-Aktie wiederholen?

Ab dem nächsten Jahr ist ein Fall wie VW nicht mehr möglich. Denn dann gilt das Risikobegrenzungsgesetz, das vorschreibt, dass nicht nur Aktien der Meldepflicht unterliegen, sondern auch Optionen und Derivate. Ein Unternehmen kann sich also nicht mehr heimlich anschleichen, wie es Porsche bei VW gemacht hat.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN