„Lex Berlusconi“ in Rom gekippt

Verfassungsrichter: Immunitätsgesetz verstößt gegen Gleichheitsprinzip. Damit kann der Korruptionsprozess gegen den Regierungschef wieder aufgelegt werden

ROM taz ■ Italiens Verfassungsgericht hat das von der Berlusconi-Mehrheit voriges Jahr im Parlament verabschiedete Immunitätsgesetz als verfassungswidrig abgelehnt. Das „Lex Berlusconi“ sah vor, dass gegen die fünf höchsten Repräsentanten des Staates – Präsident, Regierungschef, die Präsidenten der beiden Häuser des Parlaments sowie des Verfassungsgerichts – während ihrer Amtszeit keine Prozesse geführt werden dürfen. Dieser generelle Schutz galt nicht nur für in Ausübung des Amtes verübte Delikte, sondern auch für Verbrechen, die ganz unabhängig von politischen Aktivitäten zu jedweder Zeit begangen wurden.

Direkter Nutznießer der neuen Norm war Silvio Berlusconi; er stand in Mailand wegen Richterbestechung vor Gericht, und der Prozess befand sich bei Verabschiedung des Gesetzes schon in der Schlussphase. In seiner Zeit als Unternehmer soll Berlusconi, so der Vorwurf, an der Wende von den 80er- zu den 90er-Jahren mehrere Richter in Rom geschmiert haben, um den Aufkauf eines Staatsunternehmens durch einen Konkurrenten zu verhindern. Diverse Mitangeklagte des Regierungschefs sind mittlerweile zu Haftstrafen verurteilt; das Verfahren gegen Berlusconi dagegen musste abgetrennt und vorerst auf Eis gelegt werden. Es waren denn auch die Mailänder Richter, die das Verfassungsgericht anriefen. Sie bekamen jetzt Recht: Auch die Verfassungsrichter sehen mit dem Immunitätsgesetz das elementare Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.

Der sofortigen Neuaufnahme des Prozesses gegen Berlusconi in Mailand steht damit nichts mehr im Weg. Dennoch hat der Regierungschef ein wichtiges Resultat erreicht. Jene Richter, die vor Weihnachten seine Mitangeklagten verurteilten, werden nach italienischem Recht über ihn nicht mehr befinden können. Vor der neuen Kammer aber haben die Berlusconi-Verteidiger wieder alle Möglichkeiten, wie gehabt mit einer Flut von Beweis-, Befangenheits- und anderen Prozessordnungsanträgen das Verfahren auf Jahre hinaus zu verzögern und so schließlich eine Verjährung der vorgeworfenen Straftat zu erreichen – eine Strategie, die den Ministerpräsidenten schon in der Vergangenheit in anderen Prozessen rettete. MICHAEL BRAUN