Berlusconi und die verdammten Kommunisten

Nachdem Italiens Verfassungsgericht das Berlusconi-Immunitätsgesetz kippt, hetzt die Rechte gegen „rote Roben“

ROM taz ■ Mit wie gewohnt heftigen Ausfällen haben zahlreiche Vertreter des Regierungslagers auf den Beschluss des italienischen Verfassungsgerichts vom Montag reagiert, mit dem das Immunitätsgesetz zugunsten Berlusconis verworfen wurde. Verfassungswidrig, so die höchsten Richter, sei die letztes Jahr eingeführte Bestimmung, die alle Prozesse gegen den Ministerpräsidenten für die Dauer seiner Amtszeit aussetzt, weil so die Gleichheit vor dem Gesetz verletzt werde. Renato Schifani, der als Fraktionsvorsitzender von Forza Italia im Senat letztes Jahr das Gesetz eingebracht hatte, erklärte zwar, er „respektiere“ das Urteil. Es sei jedoch „offensichtlich, dass das Verfassungsgericht ein politisches Organ ist, in dem die Oppositionsparteien die Mehrheit haben“. Der Forza-Italia-Abgeordnete Carlo Taormina nannte die Richter „verdammte Kommunisten“. Und Roberto Calderoli, Fraktionsvorsitzender der Lega Nord, fragte sich, „wie es möglich ist, dass 15 Ernannte (Richter, die Red.) das für verfassungswidrig erklären, was 454 gewählte Parlamentarier für verfassungsmäßig halten“.

Die Regierungsmehrheit plant jetzt eine schnelle Verfassungsänderung, die die Immunität für alle Abgeordneten wieder einführen und so die Rückkehr zur guten alten italienischen Tradition erlauben soll: Anträge der Justiz auf Aufhebung der Immunität wurden früher regelmäßig abgeschmettert. Zugleich plant Berlusconi offenbar, die von ihm angestrebten Justizreformen ins Zentrum des Europawahlkampfs zu rücken und sich so ein erneutes Votum gegen die „roten Roben“ abzuholen.

Für seinen vor der Neuaufnahme stehenden Prozess in Mailand setzt Berlusconi dagegen auf den Faktor Zeit. Das Verfahren muss komplett neu aufgerollt werden; den routinierten Verzögerungsstrategen aus Berlusconis Verteidigerkollegium wird es ein Leichtes sein, die Verhandlungen bis zur Verjährung im Jahr 2006 hinzuziehen.

Mit Zustimmung zum Urteil der Verfassungsrichter reagierten dagegen alle Oppositionsparteien; zentrale Prinzipien der Rechtsgleichheit ebenso wie der Gewaltenteilung seien nun wiederhergestellt, so der allgemeine Tenor. Piero Fassino, Vorsitzender der Linksdemokraten, sprach von einem „Sieg der Legalität“, und der parlamentarische Oppositionsführer Francesco Rutelli erklärte mit womöglich voreiligem Optimismus, der Entscheid setze „den auf eine Person zugeschnittenen Gesetzen ein Ende“.

Gewiss kann sich die Opposition über den Imageschaden für Berlusconi freuen, der nach der Ablehnung des auf seinen Konzern zugeschnittenen Mediengesetzes durch den Staatspräsidenten nun die zweite Abfuhr in vier Wochen erhielt. Positiv aus Sicht der Opposition ist aber auch, dass das Verfassungsgericht einen heiklen Streitpunkt unter den Berlusconi-Gegnern ausräumte: In ihren Reihen war ein heftiger Streit über die Frage entbrannt, ob ein Referendum gegen das Berlusconi-Schutzgesetz opportun sei oder nicht. Nachdem dieser Streit gegenstandslos geworden ist, haben sich die Chancen, dass die Mitte-links-Parteien geeint in den Europawahlkampf ziehen, deshalb deutlich erhöht. MICHAEL BRAUN