: Agentur ohne Neubürger
In der funkelnagelneuen Neubürgeragentur wird Service ganz groß geschrieben. Derzeit fehlen vor allem: Kunden. Ob hier etwas gegen die Schrumpfung Bremens getan werden kann? Ein Praxistest
taz ■ Nein, an dem überfreundlichen Herrn mit Stadtmusikanten-Schlips, der sich beflissen um jedes noch so kleine Anliegen kümmert, wird es nicht liegen. In der funkelnagelneuen Neubürgeragentur in der Pelzer Straße wird Service ganz groß geschrieben. Aber derzeit fehlt vor allem eins: Kunden, also Neubremer. Kaum jemand verirrt sich zwei Monate nach der Gründung in die von außen kaum erkennbare Agentur.
Im Juli hatte Innensenator Kuno Böse (CDU) das „bundesweit einmalige Konzept“ vorgestellt. Hintergrund der von SPD- und CDU-Fraktion initiierten Idee: Bremen schrumpft. Das Land verliert vor allem stark an das Umland. Laut Untersuchungen könnte die Zahl der Bremer bis 2015 von derzeit 660.000 auf 590.000 sinken. Als großer Verlierer gilt vor allem Bremerhaven, während Bremen derzeit ihre Einwohnerzahl halten kann, zum ersten Mal seit Jahren.
Bewahrheiten sich die Prognosen, hätte das dramatische Folgen. Pro Einwohner winken dem Land nämlich gut 3.000 Euro aus dem Länderfinanzausgleich. Allein 1999 verlor Bremen 4.000 Einwohner, macht um die 13 Millionen Euro.
Deshalb die Neubürgeragentur. In der Pilotphase, bis Ende 2004, will Bremen dafür 2,8 Millionen Euro bereitstellen. Angeblich rentiert sich das Projekt schon bei 300 Zuzüglern pro Jahr. Laut Schätzungen sollen sogar 650 Neubremer möglich sein.
Davon ist bislang wenig zu spüren. Die Empfangsdame und die zwei Berater langweilen sich, als die taz mittags inkognito und ohne Anmeldung zum Praxistest vorbeischaut. Kein „Neubremer“ in Sicht – gleichzeitig stehen ein Stockwerk drunter im Bürgerservicezentrum die Leute Schlange. 170 Kontakte pro Woche soll die Agentur haben. „Die erreichen wir derzeit noch nicht“, gibt der Bremer Unternehmensberater Bernd Linke zu, der die Agentur für den Senat managt. Der Bekanntheitsgrad sei derzeit „noch gering“. Ende März solle es eine Anzeigenkampagne geben, die sich vor allem an Buten-Bremer richtet – neben Jobsuchern und Uni-Anfängern Haupt-Zielgruppe. Demnächst wolle man alle Bremer Firmen mit über 50 Mitarbeitern anschreiben, um Leuten aus dem Umland Hilfe beim Umzug anzubieten. Weiter ist, so Linke, „die direkte Ansprache“ angedacht: Dabei denkt er an die 700 Fluglotsen, die demnächst von Berlin nach Bremen verlegt werden sollen. Auch Polizeianwärter aus der Hauptstadt, die Bremen gewinnen will, seien im Visier der Agentur.
Zurück zur taz-Recherche. Hier gebe es keine dummen Fragen, belehrt der freundliche Berater verschmitzt, „es gibt nur dumme Antworten.“ Davon gibt es in der Neubürgeragentur tatsächlich einige. Ohne Mucken bietet der Mann Adressen von Ärzten, Apotheken, Schulen und Wohnungsbaugesellschaften an, damit es der „Neubürger“ in Bremen leichter hat. Allerdings besteht er bei der Frage nach einem Viertel-nahen Hallenbad auf dem Stadionbad – einem Freibad, das erst im Mai öffnet.
Ob er nicht mal kurz die Telefonnummer notieren könne. Der Weser Kurier würde da nämlich „so eine Umfrage“ machen. „Gibt es denn hier nicht auch die tageszeitung?“ Antwort: „Nein, das ist keine Bremer Zeitung.“ Ksc