wirre waliser und ihr peinlicher stein von RALF SOTSCHECK
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Man sollte meinen, dass die Briten genug von irgendwelchen Millennium-Projekten haben. Schießlich erlebten sie mit dem „Millennium Dome“, der gigantischen Londoner Kuppel, ein ebenso gigantisches Fiasko. Am liebsten würden sie den gnädigen Mantel des Vergessens über das Pleiteprojekt breiten.

Offenbar hat es sich nicht bis nach Wales herumgesprochen, dass das Wort „Millennium“ einen Fluch in sich birgt. So beschlossen ein paar wirre Waliser, einen drei Tonnen schweren Fels aus den Preseli-Bergen in Pembrokeshire zum knapp 400 Kilometer entfernten Stonehenge zu schleppen – und zwar mit denselben Hilfsmitteln, die ihren steinzeitlichen Vorfahren zur Verfügung standen. Angeblich haben die Leute vor 4.500 Jahren die Klamotten, die sie für den Bau des Hünengrabes benötigten, aus den walisischen Bergen zunächst nach Milford Haven und dann auf dem Seeweg nach Bristol und weiter den Avon hinauf bis in die Nähe der Baustelle geschafft.

Die staatliche Lotteriegesellschaft sponserte die Reise in die Geschichte mit 100.000 Pfund. Die Freiwilligen wollten fünf Kilometer am Tag mit ihrem Stein auf einer Art Holzschlitten zurücklegen, gezogen wurde nur am Wochenende. Doch am ersten Tag schaffte man lediglich anderthalb Kilometer, weil nicht genügend Freiwillige angetreten waren. Offenbar gab es doch nicht so viele Verrückte, die in ihrer Freizeit gern Steine auf einem Schlitten durch die Gegend ziehen.

Nach zwei Monaten hatte man den Brocken fast bis an den Bristol-Kanal geschleppt, doch dann klaute jemand den Schlitten. Den Stein ließ er allerdings zurück. So behalf man sich mit Holzlatten, aber es gelang nicht, die schwere Fracht bis ans Wasser zu schaffen. Ein Mietkran schubste den Millennium Stone in den Kanal, doch der blieb im Schlamm stecken. Nun musste ein Bagger heran, um ihn auf ein Holzfloß zu laden, das ihn zu einem nachgebauten neolitischen Boot in Milford Haven bringen sollte. Kaum war man in See gestochen, da fiel der Stein vom Floß und versank in den Fluten. Taucher mit Spezialausrüstung mussten ihn bergen. Die steinzeitliche Glaubwürdigkeit des Projekts war ja ohnehin längst perdu. Wie hatten das die Leute damals bloß gemacht?

Die Weiterreise verzögerte sich weiter, weil der Fels nicht auf das Boot passte. Außerdem wollte keine Versicherung der Welt etwas mit dem Projekt zu tun haben. So legte man die Sache vorübergehend auf Eis, zumal das Lottogeld längst aufgebraucht war. Das war im September 2000, als laut Zeitplan eigentlich die Ankunft in Stonehenge gefeiert werden sollte. Ein Vierzehntel des Weges hatte man immerhin zurückgelegt.

Anfang vorigen Monats ging es unsteinzeitgemäß weiter: Ein Lastwagen transportierte den peinlichen Stein von Milford Haven zum 70 Kilometer entfernten Nationalen Botanischen Garten von Wales. „Ein sehr passender Ort für den Millennium Stone“, sagte Len Mullins vom Gemeinderat. „Er ist Teil einer Steinausstellung, also steht er dort mit anderen Steinen.“ Auch Steine sind anscheinend nicht gern allein.