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Archiv-Artikel

Senatoren-Klatsche in der Keksdose

„Ich bin hier nicht zur Demütigung erschienen“: Auf einer Vollversammlung stellte sich Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) gereizt den aktionsstreikenden Studierenden der Bremer Universität. Nächste Woche Großdemo gegen Studiengebühren

Bremen taz ■ Wenn man der heutigen Studierendengeneration eines auf keinen Fall absprechen kann, dann ist das Kreativität: Auf einer Vollversammlung gestern, zu der der Allgemeine StudentInnen Ausschuss (AStA) der Bremer Uni Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) eingeladen hatte, symbolisierten schwarze Kreuze wegfallende Lehrstühle, über Laptop-Monitore flimmerte „Go Willi!“ oder ein sarkastisches „Elite-Uni jetzt!“, und ein meterlanger Mega-Rotstift wandelte durch den Saal.

Da die „Keksdose“, der größte, aber gleichwohl kleine Hörsaal der Uni, hoffnungslos überfüllt war, musste fast die Hälfte der etwa 1.000 Lemke-Lauscher mit einer Video-Übertragung in einen anderen Raum Vorlieb nehmen. Uni-Rektor Wilfried Müller, der laut AStA „uneingeladen“ an der Veranstaltung teilnahm, hatte den Studierenden zuvor „aus feuerpolizeilichen Gründen“ untersagt, die Veranstaltung in der „Glashalle“ abzuhalten.

Lemke versuchte sich in der aufgeheizten Atmosphäre mit Zuckerbrot und Peitsche Gehör und Respekt zu verschaffen. Nannte er Moderator Nils Stegemann, den Präsidenten des Studierendenrates, zu Anfang den „lieben Nils“, reagierte der Senator auf kritische Einwände zunehmend wehleidig. Er habe „einen verdammt schweren Job in dieser Stadt“, stöhnte Lemke, der sich „beschimpft“ und „zur Klatsche gestellt“ vorkam. Er sei „hier nicht zur Demütigung erschienen“, brach es schließlich aus ihm heraus: „Wenn Sie mich ausbuhen, müssen Sie wissen, dass die riesig große Mehrheit der Bremer Bevölkerung hinter meiner Position steht.“

Inhaltlich legte Lemke Wert darauf, dass es ihm gelungen sei, sein Ressort von der allgemeinen Sparquote in Höhe von 5,6 Prozent auszunehmen und den Hochschulhaushalt sogar ein wenig zu erhöhen. Bisher sei er davon ausgegangen, dass das ein Erfolg gewesen sei, so Lemke. Während er Studiengebühren für ein Erststudium weiter „kategorisch“ ablehne, halte er eine Verwaltungsgebühr von 50 Euro pro Semester, die ja unmittelbar der Uni zufließen solle, für unverzichtbar. Obwohl die „viel zu lange Studiendauer“ in der Hansestadt „völlig inakzeptabel“ sei, dürfe auch künftig jeder „15 Semester lang kostenfrei studieren“, ehe Gebühren für Langzeitstudenten zu berappen seien, versprach der Senator.

AStA-Vize Stefanie Henneke nannte es „mehr als zynisch“, wenn die SPD Eliteunis nach US-Vorbild fordere, „während staatliche Hochschulen kaputtgespart werden“. Die langen Studienzeiten hätten „absolut nichts mit faulen Studierenden zu tun“. Ursachen dafür seien vielmehr „der alltägliche Verwaltungsmarathon, unstudierbare Studienordnungen, zu viel Arbeit neben dem Studium und schlechte Beratung“, so die AStA-Frau. Der Informatik-Student Jonas Rathgeber erregte sich lautstark darüber, dass „Hochschulpolitik rein wirtschaftlich betrieben“ werde und mit „sozialer Separation“ einhergehe. „Wir fordern gute Bildung für alle“, so Rathgeber.

Rektor Müller wies darauf hin, dass der Uni „die Personalkosten davongelaufen“ seien. Die Zahl der Professoren müsse deshalb reduziert, die der wissenschaftlichen Mitarbeiter erhöht werden. Für den 23. Januar moblisieren die Bremer Studierenden jetzt zu einer Großdemo – an diesem Tag will sich die Wissenschaftsdeputation mit dem Thema Studiengebühren befassen. Markus Jox