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Archiv-Artikel

NEUE PLATTEN Wer die Geschichte kennt, ist auch gezwungen, sie zu wiederholen. Die anderen hören bei den Türen einfach so zu

Die Türen „Das Herz war Nihilismus“ Staatsakt / KOOK

Jetzt hat man doch lange genug still gesessen, nun kann es auch wieder mal zur Sache gehen. Hey, ho, Rock ’n’ Roll: „Spaß macht mir keine Freude / Vergnügen find ich nicht daran / Spaß macht mir keine Freude / No Fun mein Freund no Fun!“, singen Die Türen gleich zum Entree ihrer Scheibe „Das Herz war Nihilismus“, in „Öde an die Freude“. Jetzt noch ein zünftiges „No future“ gebrüllt, und gleich ist man wieder heavy auf Rotation mit den Achtzigern.

Wie DAF, nur mit mehr Gitarrenwichs. Wie Ideal, vollfetter produziert. Wie der junge Witt, nicht gar so geleckt hitparadentauglich, dass der ganze Kindergarten mitsingen kann. Wenn der aber ein klein wenig übt, schafft er das schon mit den Türen, bei denen auch gar nicht alle Reflexionsschleifen abgelaufen werden müssen, mit denen die späteren Goldenen Zitronen selbst gutmütige Hörer zermürbten. Lieber noch einmal ein Ausrufezeichen und Slogans, die auch aufs T-Shirt passen. „Erhebt euch, wenn ihr wollt / Dass alles so bleibt / Klatscht in die Hände und seid bereit“ („Auto kaputt“). Nur wofür eigentlich?

Aber es rockt hier ganz unverschämt, und dann geben die drei Herren von den Türen in ihrem Infoschreiben freimütig zu, dass man „die Pose als Position“ einzunehmen gedenkt. Was man gar nicht nur als weiteren Witz verstehen muss (Surrogat dürfen schon mal einen kleinen Schrecken kriegen). Ihre Texte generieren sie dabei in einer Cut-up-Technik, in der einfach Textbrocken zusammengeschmissen werden, mit genügend an Signalen, Refrains und Reizworten, die im allgemeinen Bewusstsein herumschwimmen, so wie halt auch ihre Musik genauso klingt, als hätte man sie schon einmal gehört.

Also Rip-off. Die drei Westfalen in Berlin – Maurice Summen, Ramin Bijan aka Pimpie Jackson und Old Man Happy (war auch bei Samba und Gautsch dabei), Gunter Osburg (Gitarrist bei Kirmes und Herr Spin) – haben sich in einer einzigen Referenzhölle eingerichtet. Allerorten dürfen die Erinnerungen einrasten. Überall an der Rockgeschichte wird herumgeschnuppert, nichts ist zu verwerflich, dass nicht wenigstens der Tonfall geäfft werden könnte. Synthiepop, der Schlager an sich, die frühen tief sinnelnden Blumfeld … so klar und das Konzept durchschaubar. Aber die Türen sind eben auch tricky, haben die Sache genügend tiefer gelegt und geben den Opel Kadett. Der röhrt und brettert (dabei könnten sie ganz kunstfertig, in knappen Momenten wollen sie das durchaus beweisen). Alles eher dumpf. Stumpf. Was dann eben so effektiv ist, dass die Mucke fürs derbe Gemüt auch ohne die Verweissysteme funktioniert.

Um den Witz vollends zu Ende zu erzählen. Die Türen. Da gab es mal ’ne Band, die nannte sich The Doors, nach dem Buch „The Doors of Perception“ von Aldous Huxley und einem Satz von William Blake: „There are things that are known and there are things that are unknown; in between there are doors“. Nur dass man das „unbekannt“ hier getrost streichen darf. Beiderseits der Türen: immer nur Bekanntes. Auch egal. Und bitte wieder vorne anstehen. THOMAS MAUCH