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Archiv-Artikel

Schweden macht kurzen Prozess

Im Verfahren um die Ermordung von Außenministerin Anna Lindh dauert die Beweisaufnahme nur ganze anderthalb Tage. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Mijailo Mijailovic vor, die schwedische Politikerin vorsätzlich getötet zu haben.

AUS STOCKHOLMREINHARD WOLFF

Bereits am zweiten Verhandlungstag ist gestern die Beweisaufnahme im Prozess um die Ermordung der schwedischen Außenministerin zu Ende gegangen. Am nächsten Montag stehen nur noch die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung an. Vermutlich wird das Gericht eine rechtspsychiatrische Untersuchung des Angeklagten Mijailo Mijailovic anordnen. Danach dürfte in drei bis vier Wochen ein Urteil ergehen.

Mit der Anhörung einer Zeugin und eines Mediziners versuchte die Staatsanwaltschaft gestern zu beweisen, dass Mijailovic bei seinem Messerangriff auf Anna Lindh einen Tötungsvorsatz hatte. Dieser hat die Tat an sich gestanden, nicht aber einen Vorsatz, Lindh ernsthaft zu schaden bei dem angeblich durch eine „innere Stimme“ ausgelösten Angriff.

Aufgrund der Tatumstände muss das Gericht allerdings zur Überzeugung eines direkten oder zumindest bedingten Vorsatzes gelangen. Denn nach der schwedischen Rechtsprechung in ähnlichen Fällen reicht das kraftvolle Einstechen mit einem Messer auf den Oberkörper eines Menschen in der Regel zur Annahme eines bedingten Vorsatzes aus. Ein Täter, der so rücksichtslos vorgehe, nehme den Tod des Opfers in Kauf.

Juristen waren sich gestern uneins, ob die Beweisaufnahme tatsächlich einen Tötungsvorsatz mit allerletzter Sicherheit erbringen konnte. Dass die Staatsanwaltschaft sich zu diesem Punkt nicht über weitere Beweismittel absichern wollte, weckte teilweise Erstaunen. Vor allem weil sich der Ansatz der Anklage, Mijailovic habe Lindh längere Zeit beobachtet und deshalb keinen spontanen, sondern einen geplanten Angriff ausgeführt, am ersten Verhandlungstag nur ansatzweise belegen ließ. Gestern verweigerte Mijailovic hierzu wie auf andere Fragen jede Aussage. Am Vortag hatte er sich in Widersprüche verwickelt und ein sehr selektives Erinnerungsvermögen gezeigt. Seine Aussagen schienen einstudiert, manche wiederholte er wie ein Mantra. Doch ob dies seine Glaubwürdigkeit in Frage stellt, wird sich erst nach dem rechtspsychiatrischen Gutachten sagen lassen.

Die Staatsanwaltschaft versäumte es, Mijailovics Version der Taxifahrt von der Tat zur Wohnung seiner Mutter zu hinterfragen. Dass der angebliche Taxifahrer nie gefunden wurde, obwohl er sich aufgrund der Umstände an Mijailovic hätte erinnern müssen, gibt Anlass zu zahlreichen Spekulationen. Auch Schwedens psychiatrische Krankenversorgung muss sich schon jetzt Fragen gefallen lassen. Mijailovic ist offenbar psychisch krank, fraglich nur, in welcher Intensität. Er hatte sowohl Tage vor als nach der Tat fachärztliche Behandlung gesucht, diese aber nicht in ausreichendem Umfang erhalten. Von sechs Ärzten waren ihm in den zwölf Monaten vor der Tat 15 verschiedene Arzneien verschrieben worden. Darunter waren drei Mittel gegen Schizophrenie, die zu schweren Nebenwirkungen, darunter Verwirrungszuständen, führen können.

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