: Der totgesagte Maradona als Novize
Damals, vor ein paar Jahren, als es nicht gut um das Idol stand und der Infarkt nur noch eine Frage der Zeit schien, machten sich alle erdenklichen Leute an die Arbeit und versuchten, das Leben des Mannes zu würdigen, der den Fußball der Achtzigerjahre wie kein anderer geprägt hatte. Nicht nur in Argentinien, der Heimat des kleinen Wundermannes, sondern überall auf der Welt und auch in Deutschland verschwand der eine oder andere Autor tagelang und brütete an einem Text über den Unbeschreiblichen. Doch Maradona trotzte allen Nachrichten und lebte weiter. Die Nachrufe auf den schon Totgesagten verschwanden in den Schubladen, und spätestens jetzt müssen sie um ein entscheidendes Kapitel erweitert werden. Seit Mittwoch ist nämlich das Unglaubliche eingetreten: Maradona ist Nationaltrainer Argentiniens und somit Nachfolger Alfio Basiles, der nach einem 0:1 in der WM-Qualifikation gegen Chile zurückgetreten war. Maradonas Kür ist zum einen der Beleg, dass selbst im krisenerprobten Argentinien gewisse Nachrichten noch wie ein mittelschweres Beben wirken können. Zum anderen aber ist es ein Experiment, wie es experimentieller nicht sein kann.
Denn dieses Comeback, das ungeführ so sensationell ist, wie es ein Titelgewinn der Frankfurter Eintracht wäre, besagt nichts anderes als die Tatsache, dass Argentiniens Fußballverband sein Nationalteam einem Novizen anvertraut. Sicher, das hat es auch in Deutschland gegeben mit Jürgen Klinsmann, aber im Vergleich zum schillernden Maestro aus Buenos Aires, der im Kampf gegen die Kokainsucht zum Anhänger Fidel Castros wurde und sich auf Kuba therapieren ließ, wirkt der kalifornische Schwabe nicht nur solide, sondern wie die Biederkeit in Person.
Doch weil man Maradona allein offenbar nicht ganz traut, hat ihm der Verband einen Aufpasser an die Seite gestellt: Dr. Carlos Bilardo wird Sportdirektor. Der knurrige Alte ist nicht nur ein Verfechter geradezu preußischer Disziplin – er hat seine Methoden schon einmal erfolgreich anwenden können: 1986 stoppte die argentinische Auswahl im WM-Finale von Mexiko den Siegeszug der deutschen Elf. Vier Jahre später standen Maradona und Co. in Rom gegen denselben Gegner auf verlorenem Posten. Siege und Niederlagen des irrlichternden Genies waren im letzten Jahr Gegenstand des Filmes „Maradona – La mano de Dios“ („Maradona – die Hand Gottes“) des Regisseurs Marco Risi. Der gut gemeinte Streifen entpuppte sich als Flop, was nicht verwundern konnte: Im Vergleich zum prallen Leben Maradonas muss jede Leinwandkopie wie ein fader Abklatsch wirken.
STEFAN OSTERHAUS