ESTLAND-WAHL: JE SCHWERER DIE KRISE, UMSO EINFACHER DIE PAROLEN
: Ein Populist, der den Russen nutzt

Wer in den baltischen Staaten politisch etwas werden will, für den gibt es derzeit ein einfaches Erfolgsrezept: Am besten gründet man eine neue Partei, die verspricht, alles besser zu machen. Damit schaffte es vor einigen Monaten Einars Repse zum lettischen Ministerpräsidenten. Mit populistischen Botschaften gelangte auch Roland Paksas im Januar auf den Sessel des litauischen Staatspräsidenten. Nun wiederholte Juhan Parts in Estland den Wahlcoup: Auch hier stürmt jetzt ein Mister Saubermann ganz nach oben.

Verwunderlich ist das nicht. In den jungen Marktwirtschaften der ehemaligen Sowjetunion blühen Korruption und Kriminalität. Hinzu kommt die schlechte wirtschaftliche Situation eines Großteils der Bevölkerung – die hohen sozialen Kosten der Übergangsgesellschaften führen schnell zur Sehnsucht nach einfachen Lösungen. Bislang konnte Unruhe mit der Hoffnung auf bessere Zeiten und auf die angeblichen Segnungen des EU-Beitritts einigermaßen gedeckelt werden. Mit schöner Regelmäßigkeit tauchen aber bei jeder Parlamentswahl bislang unerprobte Parteien und KandidatInnen auf, die den Unzufriedenen das Blaue vom Himmel versprechen.

Doch politische Kurzsichtigkeit und ein Massenverschleiß an neuen Gesichtern und Parteien ist kein Ersatz für Stabilität und politische Kontinuität. Wie schnell ein Hoffnungsträger sein Ansehen verlieren kann, beweist Einars Repse in Lettland schon nach den ersten hundert Tagen. Eine Verdreifachung der eigenen Gehälter und Spuren von Korruption in der eigenen Mannschaft lassen den vermeintlich frischen Wind schon wieder wie einen allzu bekannten Mief erscheinen.

Ausgerechnet der populistische Este Parts schaffte es jetzt jedoch, das Herumhacken auf Minderheiten zu unterlassen und damit ein Stück politische Normalität auf den Weg zu bringen. Die EstInnen störten sich nicht daran, dass er im Wahlkampf auch die Gleichstellung der russischen Minderheit propagierte. Und diese schickte dafür ihre beiden eigenen russischen Parteien in die Wüste.

REINHARD WOLFF