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Archiv-Artikel

Die Zeitmaschine

„Das Magazin“ wird 80 Jahre alt. Weimar, Drittes Reich, alte BRD und DDR – die älteste Illustrierte Deutschlands hat sie alle gesehen und überlebt

VON TANJA HÖFLING

Es ist klein, handlich und ein bisschen sexy. Möchte man Das Magazin einordnen, müsste man wohl von einer leicht erotischen Illustrierten mit gesellschaftspolitischem und kulturellem Anspruch sprechen, wie sie aus den USA der Zwanzigerjahre auch nach Deutschland kamen.

Als Kind der Weimarer Republik erwarb Das Magazin eine Tugend, die sich noch als überlebenswichtig erweisen sollte: Anpassungsfähigkeit. Das Magazin schwamm immer im Strom der Zeit durch die Epochen, ein eher unterhaltsamer als kritischer Spiegel gesellschaftlicher Strömungen.

1924 von Robert Siodmak gegründet, hatte Das Magazin anfänglich seinen inhaltlichen Schwerpunkt ausdrücklich auf die Reize schöner Frauen ausgerichtet. Rund 50 Prozent des Heftes bestanden aus Bildern. Die Fotografen von damals, darunter Man Ray und Heinz Hajek Halke, setzten die Frauen kunstvoll mit selbstbewusstem Ausdruck in Szene. Ein glamouröses Magazin für die Frau und den Mann von Welt.

Die Lebensfreude und Leichtigkeit der Zwanzigerjahre spiegelten sich auch in den Themen des Magazins wieder: „Das große Abc der Dame von Welt“ oder „Wie sieht ein Herr aus“ versprachen Teilhabe am zeitgenössichen Hedonismus.

Womit nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Schluss war: Statt sich lasziv auf einem Diwan räkelnder Vamps Mütter mit Spitzenhäubchen und einem Bündel Stroh auf dem Rücken. Der Mann von Welt avancierte zu einem züchtigen, Gymnastik treibenden Vater mit Hund an der Leine und Gewehr über der Schulter. Die erotischen Posen der Aktmodelle verkamen zu Gesten liebreizender Unschuld. Um „Mensch und Material für kriegswichtige Zwecke frei zu machen“, stellte man die Produktion des Magazins im Juli 1941 schließlich ein.

Viele Zeitungen und Illustrierte verschwanden danach für immer von der Bildfläche. Nicht so Das Magazin. Von dem früheren Herausgeber F. W. Koebner 1950 in Stuttgart wieder zum Leben erweckt, konnte es aber nicht an frühere Erfolge anknüpfen: Nach nur sechzehn Ausgaben kam das Aus. Und vorbei, möchte man denken.

Wiederbelebt wurde Das Magazin schon 1954 auf Veranlassung der DDR-Obrigkeit – der Legende nach hat Brecht den schlichten Titel vorgeschlagen. Hier erlebte das Heft einen bahnbrechenden, weil konkurrenzlosen Erfolg. Erotische Fotografien blieben auch weiterhin fester Bestandteil. War das Bild der Frau in den Fünfzigern noch das eines züchtigen Arbeitsbienchens, bekamen die Aktbilder zunehmend den Charme der Freikörperkultur der DDR: Frauen und Männer (!), oft in Gruppen, frontal abgelichtet, von einer entwaffnenden Natürlichkeit. Erzählungen namhafter Schriftsteller lösten die seichten Liebesgeschichten der Zwanzigerjahre ab. Das Magazin wurde zu der Unterhaltungsillustrierten der DDR: Auflage 500.000. Abonnements waren schon bald nur noch ererbbar, war doch die Nachfrage größer als die zur Verfügung stehenden Papierrationen. 1991 erwarb Gruner + Jahr (Stern) den Berliner Verlag, in dem auch Das Magazin erschien. Aber kläglich scheiterte der Versuch, es zum „Playboy des Ostens“ zu machen.

Seit drei Jahren nun erscheint Das Magazin monatlich im Eigenverlag, mit acht festen Mitarbeitern. Mit einer Auflage von 60.000 hat Das Magazin seine Leser vor allem in Berlin und im Osten der Republik – eine kleine, aber stabile Basis in Zeiten der Medienkrise.

Inzwischen erlebt Berlin eine Gründungswelle anspruchsvoller Magazine (Dummy oder Deutsch) wie seit den Zwanzigern nicht mehr, und Frauenillustrierte wie Glamour setzen längst auch auf das praktische Handtaschenformat der guten alten Oma aller Magazine.

Wenn auch die Erotik laut Chefredakteurin Manuela Thieme heute mehr Persiflage denn ernst gemeinte Anregung sein soll: Das Magazin ist so klein, so handlich und so sexy wie vor 80 Jahren.