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Archiv-Artikel

DIE UMWANDLUNG IN MINIJOBS BENACHTEILIGT DIE BESCHÄFTIGTEN Hoher Preis für Billigmärkte

Von einer „Erfolgsstory“ hatte Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) schon im Sommer vergangenen Jahres gesprochen, als sie die Bilanz der Minijobs vorstellte. Fast eine Million dieser 400-Euro-Jobs waren in drei Monaten entstanden, dieses Ergebnis übertreffe die Erwartungen, verkündete Schmidt. Es war damals schon bemerkenswert, dass eine Sozialministerin eine Jobregelung lobte, durch die sich Arbeitgeber und Beschäftigte den sozialen Sicherungssystemen zumindest teilweise entziehen können. Die Begeisterung der Ministerin klang wie eine Aufforderung, nicht mehr allzu sehr auf die Systeme der kollektiven Umverteilung zu setzen – weder als Beitragszahler noch als Leistungsempfänger. Durch neuere Schätzungen zur Entwicklung der Minijobs wird diese Haltung nun bestätigt.

Gerade in Billigmärkten des Einzelhandels werden viele Verkäuferinnen nur noch als Minijobberinnen beschäftigt. Bei Lidl, Drospa oder Kaufland arbeiten besonders viele 400-Euro-Beschäftigte, teilt die Gewerkschaft Ver.di mit. Die niedrigen Personalkosten ermöglichen niedrige Preise. Gleichzeitig aber bieten diese Discountmärkte kaum noch Arbeitsplätze mit Renten- und Krankenversicherung. Der Markt schafft damit gewissermaßen eine neue Form der sozialen Umverteilung: Die Bürgerin als Kundin profitiert, als Jobsuchende aber ist sie angeschmiert. Jobsuchende Ehefrauen, die über ihren Mann krankenversichert sind, mögen von der 400-Euro-Regelung noch profitieren, weil Minijobs für sie attraktiv sind. Alleinstehende Frauen aber, die einen auskömmlichen Verkäuferinnenjob mit Renten- und Krankenversicherung brauchen, finden keine Stelle mehr.

Wer allerdings den niedrigsten Tarif bekommt, für den rechnet sich auch ein Vollzeitjob kaum noch. Eine angelernte Verkäuferin verdient 5,50 Euro brutto die Stunde. Mit einer 32-Stunden-Woche und vollen Sozialabgaben kommt sie damit auf ein Einkommen in Höhe der Sozialhilfe. Das lohnt sich kaum. Billigmärkte haben ihren Preis – und der zeigt sich nicht unbedingt im Laden, sondern auf den Arbeitsämtern. BARBARA DRIBBUSCH