: Tiefer Sturz im hohen Norden
Nach den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein sind alle etwas sprachlos: Die SPD liegt in einem roten Stammland unter30 Prozent. Ebenso wurde die CDU von ihrem Über-50-Prozent-Erfolg und ihrer Dominanz in fast allen Kreisen überrascht
von SVEN-MICHAEL VEIT
Und es kam noch schlimmer als befürchtet. Dass sie wenig zu gewinnen hätten bei den Kommunalwahlen am Sonntag, das hatten Schleswig-Holsteins Sozialdemokraten seit langem geahnt. Doch dieser tiefe Sturz hat selbst die ärgsten Pessimisten überrascht. Im Durchschnitt sind sie unter 30 Prozent gesackt, die CDU erhielt mehr als jede zweite Stimme.
Nahezu flächendeckend schwarz dominierte Landkreise und große Städte, dazu noch gute Chancen bei der Stichwahl zum Oberbürgermeisteramt der roten Hochburg Kiel am 16. März, dieses Panorama machte den Landes-CDU-Chef und Bundestagsabgeordneten Peter Harry Carstensen schlicht „sprachlos“. Nicht so den alerten Chef der FDP-Fraktion im Landtag, Wolfgang Kubicki. Das maue Ergebnis der Liberalen ausklammernd, deutete der Möllemann-Fan die Wahl flugs in eine persönliche Niederlage von SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis um: „Für die Göttin ist die Dämmerung angebrochen.“ Ausnahmsweise könnte Kubicki Recht haben.
Die einzige Regierungschefin eines deutschen Bundeslandes räumte die „wirklich schmerzhafte Niederlage“ sofort ein. Und hatte gleich drei Begründungen parat: Die Politik der Bundes-SPD natürlich, die geringe Wahlbeteiligung von nur noch 54,4 Prozent (8,4 Prozent weniger als 1998), die vornehmlich auf lustlose Ex-SPD-Wähler hindeutet, und – aufrichtigerweise – auch eigene Fehler. Vor allem „an die Schwächen in der Bildungspolitik müssen wir jetzt rangehen“, verkündete die 59-Jährige, die bei der Landtagswahl 2005 erneut als Spitzenkandidatin antreten will.
Doch selbst die bislang unumstrittene Chefin im Land zwischen den Deichen muss sich jetzt der Frage stellen, was die Niederlage für sie persönlich bedeutet – und für ihre innerparteilich als „scheintot“ kritisierte Landes-SPD? Konsequenzen für die rot-grüne Koalition sehen weder Simonis noch die Grünen, die ihren dritten Rang festigten, aber sorgenvoll auf den großen Partner blicken. Da beruhigen sie auch kaum die sozialdemokratischen Durchhalteparolen, die des Kanzlers General Olaf Scholz wie schon nach den Debakeln in Hessen und Niedersachsen ausgab: Eine Kursänderung werde es nicht geben, Gerhard Schröder werde es schon richten.
Im nördlichsten Bundesland allerdings ist das äußerst fraglich. Das Land ist so gut wie pleite. Die „schwerste Finanzkrise seit Gründung der Bundesrepublik“, konstatierte unlängst der schleswig-holsteinische Städteverband. Hinzu kommt, dass die Landesregierung bislang keine überzeugende Vorstellung abgeliefert hat. Mit einer Kabinettsumbildung versuchte Simonis Ende Januar, aus den negativen Schlagzeilen über leere Kassen, Job-Abbau bei der größten deutschen Werft HDW in Kiel und die „Filz-Affäre“ um den früheren Expo-Beauftragten Karl Pröhl herauszukommen. Haften blieben jedoch vornehmlich die – wenn auch inzwischen widerlegten – Abzocker-Vorwürfe an die grüne Staatssekretärin Henriette Berg, die in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden war.
Unter den Genossen im Norden lagen deshalb schon vor der Wahl die Nerven blank, entsprechend müde verlief ihr Wahlkampf. Auf die Frage „Warum SPD wählen?“ fiel denn auch den WählerInnen wenig ein.