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Archiv-Artikel

Hoffnung in einer hoffnungslosen Zeit

In Kölns Partnerstadt Bethlehem steht kaum mehr ein Stein auf dem anderen. Im Maternushaus warb Zuhair Manassre, der Regierungspräsident der palästinensischen Stadt, für den einzigen Ausweg aus der Not: den Frieden

KÖLN taz ■ Der große Quader sollte die besondere Beziehung zwischen den beiden Städten illustrieren. Der „Partnerschaftsverein Köln-Bethlehem“ hatte den Original-Stein vom Kölner Dom in die Stadt in Palästina gebracht. Vier Jahre stand er dort im Mittelpunkt eines Platzes, der eigens für dieses Denkmal von der Bethlehemer Stadtverwaltung neu angelegt worden war. Jetzt ist er weg – Panzer überrollten das Wahrzeichen und zerstörten es vollends. So wie vieles. „Es ist unglaublich, wie viel die israelischen Truppen in unserer Partnerstadt kaputt gemacht haben“, sagt Axel Kaske.

Das Vorstandsmitglied des „Partnerschaftsverein Köln-Bethlehem“ war öfters in der palästinensischen Stadt. Bei seinem letzten Besuch erkannte er sie kaum noch wieder. „120 Häuser sind zerstört, fast kein Geschäft hat geöffnet“, beschreibt Kaske die Situation vor Ort. Als ehrenamtlicher Funktionär der Kölner Johanniter Unfallhilfe hatte der SPD-Ratsherr auch die Errichtung eines gespendeten Krankenhauses begleitet. Wegen der „andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen“ mussten die Kölner Helfer inzwischen abgezogen werden. Das Hospital gleicht inzwischen ebenfalls einer Ruine. Ansonsten ist Bethlehem mit „Checkpoints“ abgeriegelt. Strom, Wasser und Telefon funktionieren nur noch notdürftig, ausgebaute Straßen werden immer wieder dem Erdboden gleich gemacht. „Ärgerlich ist, dass damit Aufbauzuschüsse der Vereinten Nationen und der EU sowie Spendengelder aus Köln zunichte gemacht wurden“, empört er sich. Kaske: „Ich hoffe sehr auf baldigen Frieden.“

Darauf hofft auch Zuhair Manassre. Am Freitag besuchte der Bethlehemer Regierungspräsident Köln. Auf Einladung des Städtepartnerschaftsvereins berichtete er im Maternushaus über die Situation der Menschen in der zerschundenen Stadt. Und der Palästinenser warb eindringlich für die von ihm mit ausgearbeitete „Genfer Vereinbarung“ – den Versuch eines „historischen Kompromisses“.

„70 Prozent beider Seiten wollen Frieden – aber keiner sagt, wie das funktionieren soll“, sagt Manassre. Die von Politikern und Intellektuellen beider Konfliktparteien ausgearbeitete und im Oktober in der Schweiz unterzeichnete Initiative versucht hingegen, einen Weg aufzuzeigen. Sie bietet Lösungen für die strittigsten Punkte und fordert von beiden Seiten härtere Zugeständnisse als die „Roadmap“. Im Kern sieht die Vereinbarung eine Zweistaatenregelung vor. So sollen künftig die Grenzen von 1967 gelten, Palästina würde damit 97 bis 98 Prozent des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens umfassen. Grenzkorrekturen sollen durch Landtausch möglich sein. Israel soll auf die meisten Siedlungen verzichten, die Siedlungen müssten innerhalb von 30 Monaten geräumt werden. Die palästinensische Verhandlungsseite rückte in dem symbolischen Friedensvertrag erstmals von einem garantierten Rückkehrrecht der 4,1 Millionen Flüchtlinge nach Israel ab. Die Vorschläge werden von den Hardlinern sowohl in Israel als auch in Palästina heftig abgelehnt.

Manassre jedoch ist überzeugt: Das Blutvergießen muss endlich ein Ende haben. „3.000 Tote, 30.000 Verletzte, 15.000 Gefangene auf palästinensischer Seite“ habe es alleine in den vergangenen drei Jahren gegeben, zieht er eine bittere Bilanz. Doch es geht ihm nicht nur um das Leiden der Palästinenser. Er kritisiert auch die palästinensischen Selbstmordattentäter, die in Israel Angst und Tod verbreiten.

Manassre ist ein Mann der klaren Gedanken, einer der auch wirklich zu meinen scheint, was er sagt und deshalb überzeugend wirkt. Aber auch im Maternushaus sind nicht alle mit dem, was er sagt einverstanden. Die Flüchtlingsfrage ist so ein Punkt. „Wenn Israel zustimmen muss, dann hat ein Palästinenser doch gar kein autonomes Rückkehrrecht“, ärgert sich ein Zuhörer. Manassre weiß: Es ist genau diese Starrköpfigkeit, die jegliche Friedensbemühungen bisher scheitern ließ. Es ist das Lächeln eines geduldigen, sanften Mannes, das sich über sein Gesicht zieht, als er antwortet: „Als Palästinenser finde ich auch einiges unfair, als Mensch muss ich aber versuchen, das Leid zu stoppen.“

Die Verbindung zwischen Köln und Bethlehem ist die erste offizielle Partnerschaft zwischen einer deutschen und einer palästinensischen Stadt. Viele der rund hundert Zuhörer im Maternushaus sind Mitglieder des Städtepartnerschaftsvereins in der Domstadt. Einige der über 150 Mitglieder haben palästinensische Wurzeln, viele haben Bethlehem besucht, allen liegen die Menschen dort und deren Schicksale am Herzen. Der 1996 gegründete Verein engagierte sich bei der Sanierung der Bethlehemer Altstadt, kümmert sich um Senioren in Altenheimen und ist auf dem Gesundheits- und Kultursektor aktiv.

Claudia Lehnen, Frank Überall