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Archiv-Artikel

Autowahn will keine Bürgerbeteiligung

Eigentlich hat Schwarz-Grün die Planungen für den Ausbau des Niehler Gürtels per Koalitionsvertrag auf Eis gelegt. Praktisch biegt das „Planfeststellungsverfahren“ gerade in die Schlusskurve: Am Dienstag werden die Einwände der Bürger erörtert

VON HEINRICH PACHL

Autogerechte Stadt – das war vor dreißig Jahren das große Ideal der Stadtplanung. Heute ist man klüger. Oder auch nicht, wie das „Planfeststellungsverfahren“ über die Gürtelautobahn zeigt. Am Dienstagmorgen sollen die Einwände gegen den Ausbau des Niehler Gürtels vor der Kölner Bezirksregierung verhandelt werden – doch wer hört schon auf die Bürgerinnen und Bürger?

Wohnen, Arbeiten und Konsumieren – diese Lebensfunktionen sollten einst räumlich getrennt und mit dem Auto der Zusammenhalt wieder geschaffen werden. Nippes war damals in der Mache als Referenz-Stadtteil und Vorzeigeobjekt dieses Planerwahns: Umrundet und eingekesselt von zwei Stadtautobahnen (ausgebaute Innere Kanalstraße und ausgebauter Gürtel) sowie durchschnitten von vierspurigen Aus- und Einfallstraßen (Merheimer- und Siebachstraße als Raserpisten im Westen und eine vierspurige Niehlerstraße im Osten). In der Mitte die Fußgängerzone Neusserstraße als glückliche Konsuminsel, zu der eine zentrale Tiefgarage unter dem Wilhelmplatz den Zugang erleichtern sollte.

Die Spuren dieses Fehlweges sind noch gut zu erkennen: eine abartige U-Bahn-Haltestelle Lohsestraße im halben Niemandsland, verpfuschte Häuserfluchten in der Niehlerstraße – und vor allem die absurde Hochbahntrasse für die Linie 13 am Ehrenfelder- und Niehler Gürtel. Da fährt diese Straßenbahn, so selten, wie sie fährt, ebenerdig und ohne Probleme durch belebte Viertel wie Klettenberg, Sülz, Lindenthal und Ehrenfeld, um dann da, wo nix mehr los ist, hoch auf Stelzen zu klettern, beim Kreuzen mit der S-Bahn tief unter der Erde zu verschwinden (man genieße die U-Bahnhof-Architektur an der Geldernstraße), um dann wieder auf die Stelzen zu klimmen – und warum? Um unter sich eine kreuzungsfreie Autobahn rund um‘s Viertel in Aussicht zu stellen. Das wurde damals durch Bürgerprotest („Nippeser Baggerwehr“ und BI Nördliche Altstadt) ausgebremst und abgewehrt. In Erinnerung ist noch die Besetzung des Schrebergartengeländes an der Inneren Kanalstraße mit gewaltiger polizeilicher Räumung und anschließender Kriminalisierung – alle Verurteilungen wurden in der Revision aufgehoben. Bis dann die Stadtplanung umdachte und einem stadtökologischen Konzept folgte: Verkehrsberuhigung, Begrünung in den Straßen statt Erweiterung, Integration der Lebensfunktionen in der Stadt, und an der Inneren Kanalstraße wurde anstelle einer Stadtautobahn eine Erholzone gepflanzt.

Nur das letzte Relikt von damaliger Planungsmanie, der Gürtel in Nippes und Niehl, wurde nicht zurückgebaut, wie es logisch gewesen wäre, und stattdessen zogen die Straßen dort immer mehr Durchgangsverkehr an. So dass nun viele vom Lärm betroffene Anwohner in ihrer Not meinen, da müsse der Schwachsinn zu Ende gebaut werden. Einfältige Planungsdilletanten nützen das seit Jahren aus, und mit der Machtübernahme der CDU in Köln war es dann auch soweit, sind die Autoverkehrs-Saurier auferstanden und bringen die Bleifußindianer wieder auf Trab.

So soll das letzte Relikt perverser Planung, die Gürtelautobahn, zu ihrer absurden Vollendung getrieben werden. Wobei man die straßenlärmgequälten Anwohner mit der verlogenen Verlockung ködert, es würde ruhiger, obwohl man durch stadteigene Gutachten weiß, dass dann das Gegenteil eintritt: Der Lärm in den Wohngebieten nimmt zu und verdoppelt und verdreifacht sich oft. Denn eine solche Trasse, auch das gibt das Gutachten zu, wird zwangsläufig den Brummis, weil der nördliche Autobahnring chronisch verstopft ist, den Durchgangsverkehr durch Köln erleichtern.

Da sei GRÜN vor – könnte man hoffen. Haben die doch in ihrer Vereinbarung mit der CDU vor einem knappem Jahr zweifelsfrei formuliert: „Die Planungen für den Ausbau des Niehler Gürtels werden bis zur nächsten Kommunalwahl eingefroren.“ Aber seit sie mitregieren, ist das Gegenteil der Fall: Wenn ich etwas zu Hause einfriere, bewegt sich das überhaupt nicht mehr, doch ausgerechnet jetzt wird der Ausbau mit dem „Planfeststellungsverfahren“ massiv weitergetrieben. Den Grünen blieb das nicht verborgen. Und so schrieb deren Chefin im letzten Februar an die Betroffenen, dass die Verwaltung zwar „noch keinen Ratsauftrag hat, das Verfahren zu stoppen. Dies muss in einer der nächsten Sitzungen geschehen... Wir werden die nächsten konkreten Beschlüsse unverzüglich einleiten.“

Beteiligung der Bürger?

Auch hier ist das Gegenteil der Fall, eingeleitet wurde nicht die Umsetzung des Einfrierens, vielmehr stößt das Planverfahren in seine Schlusskurve, denn man will am morgigen Dienstag die Einwände der Betroffenen erörtern und dann den Sack zumachen. Und diese Maßnahme der Bürgerbeteiligung wird besonders unappetitlich gestaltet, weil die Verhandlungen tagsüber in der Arbeitszeit angesetzt sind, wo nur Rentner, Hausfrauen und Beschäftigungslose Zeit haben, und die meisten der 300 Einwender sich auf eigene Kosten beurlauben lassen oder ihren Erwerb in den Wind schreiben müssen, um ihre demokratischen Rechte wahrnehmen zu können – oder davon schlicht ausgeschlossen sind, während die Verantwortlichen der Kölner Stadtverwaltung versuchen, mit beweisbaren Unwahrheiten die Einwendungen abzubügeln.

Solch einen Tiefpunkt der „Bürgerbeteiligung“ hat es vor Schwarz-Grün allerdings nicht gegeben. Da wurden immerhin, ob Sanierung Südstadt oder Verkehr in Nippes, Mindestregeln demokratischen Anstands gewahrt und bei allen Planungen ab Feierabend verhandelt. Und mit Schwarz-Grün soll man nun nach allen jahrelangen Bemühungen und Erfahrungen einen Cocktail aus politischem Unvermögen und Arroganz der Macht schlucken?