piwik no script img

Gericht enttarnt Scheingewerkschaft

Die Postgewerkschaft GNBZ ist nicht tariffähig, urteilt das Kölner Arbeitsgericht. Damit bestätigt es einen Verdacht der Gewerkschaft Ver.di: Die GNBZ wurde 2007 von den Arbeitgebern finanziert, um den Post-Mindestlohn auszuhebeln

AUS KÖLN PASCAL BEUCKER

Das Arbeitsgericht liegt in Sichtweite des Kölner Südstadions. Wehmütig erinnern sich Ältere an jene Tage, als in der Fußballarena Fortuna Köln vom Aufstieg in die Bundesliga träumte. Heute fristet der Verein sein Dasein im Amateurfußball.

Auch die „Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste“ (GNBZ) hatte oben mitspielen wollen: in einer Liga mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Jetzt geht es um den Abstieg. Vor dem Kölner Arbeitsgericht muss die im Streit um den Post-Mindestlohn gegründete GNBZ beweisen, dass sie wirklich eine tariffähige Gewerkschaft ist – was nicht nur Ver.di bezweifelt.

Vom GNBZ-Vorstand lässt sich am Donnerstagmorgen niemand blicken. Sein Anwalt Helmut Thiess sitzt im Saal 109 und ist nicht in der Lage, auch nur die einfachsten Fragen der Vorsitzenden Richterin Sabine Poeche zu beantworten: Wie viele Mitglieder hat die GNBZ? Nein, dass könne er „hier und heute nicht“ sagen. Wie auch? Der Hamburger Rechtsanwalt wurde von der GNBZ erst zwei Tage vor Beginn der Verhandlung mandatiert.

Nicht mal über die Höhe der über Mitgliedsbeiträge erzielten Einnahmen kann er Angaben machen. Nach Hochrechnungen von Ver.di könnten sie bei 15.000 Euro liegen. Das sei bereits „im oberen Bereich angesetzt“, sagt Ver.di-Vertreter Stephan Teuscher. Zur Finanzierung der Organisation hätten die Mitgliedsbeiträge der GNBZ nie und nimmer gereicht. Aber das war auch gar nicht nötig, schließlich gab es ja großzügige Gönner. Bereits seit Gründung der dubiosen Konkurrenz im September 2007 hegte die Dienstleistungsgewerkschaft den Verdacht, dass es sich bei der GNBZ um eine „arbeitgeberseitig gesteuerte Organisation“ handelt. Die rund einstündige Verhandlung liefert weitere Beweise: Erstmalig gelangt die bislang sorgsam gehütete Satzung der GNBZ an die Öffentlichkeit. Die lässt nicht nur Fragen nach dem demokratischen Aufbau der Organisation aufkommen. Vor allem bietet sie unter dem Punkt „Aufgaben und Ziele“ eine äußerst aufschlussreiche Formulierung: Ein wesentliches Ziel der Organisation sei „die Mitwirkung am Wohl der privaten Brief- und Zeitungszustellunternehmen“.

Für eine Arbeitnehmervertretung eine mehr als eigenartige Zielstellung, wie nicht nur DGB-Anwalt Friedrich Schindele findet: „Eine Gewerkschaft hat die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, und sonst gar nichts.“ Wie auch das ebenfalls mit einem Rechtsvertreter anwesende Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstützt der DGB die Ver.di-Klage.

Zwei Stunden hatte das Gericht als Verhandlungsdauer angesetzt. Doch die Abwesenheit von GNBZ-Vertretern und die Unwissenheit ihres Anwalts beschleunigt die Beratung. Um 10.25 Uhr verkündet Richterin Poeche den Beschluss der Kammer: Bei der GNBZ handelt es sich nicht um eine tariffähige Gewerkschaft. „Wir können nicht erkennen, dass die GNBZ gegnerunabhängig ist“, erläutert Poeche. So habe es sowohl „personelle Verflechtungen“ mit als auch „erhebliche Zuwendungen“ von der Arbeitgeberseite gegeben, sagt die Richterin.

Auch im Dezember 2007, als die GNBZ ihre Tarifverträge mit dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste und dem Bundesverband der Kurier-, Express- und Postdienste abgeschlossen hatte, sei sie nicht tariffähig gewesen. „Wir hoffen, dass der Spuk nun ein Ende hat“, kommentiert Ver.di-Mann Teuscher den Prozessausgang. Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen