: Ein Krematorium für den Waldfriedhof
Sollen in Verden demnächst Tote verbrannt werden? Eine Bürgerinitiative befürchtet Umweltbelastungen, die Wirtschaftlichkeit ist ungesichert. Am Sonntag stimmen die Einwohner über das Vorhaben ab
Bremen taz ■ Am Anfang hielten viele Verdener es ja für einen Aprilscherz, als die Lokalpresse am 1. April des vergangenen Jahres den baldigen Bau eines Krematoriums für die Stadt meldete. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass ein privater Investor durchaus ernsthafte Pläne verfolgt, ein Krematorium auf dem Waldfriedhof der Domgemeinde in Verden-Ost zu errichten.
Nachdem eine Unterschriftenaktion der Anwohner gerade noch verhindern konnte, dass die Anlage in unmittelbarer Nähe zu einem Wohngebiet entsteht, steht jetzt ein Bauplatz auf einem etwas abgelegeneren Teil des Friedhofs zur Debatte. Nicht zuletzt, weil dann ein beliebtes Naherholungsgebiet betroffen wäre, blieben die Bedenken vieler Verdener aber bestehen. Am kommenden Sonntag soll ein Bürgerbegehren über die Zukunft des Projekts entscheiden.
Die Positionen in dem Streit sind verhärtet. Auf der einen Seite steht die Domgemeinde, der der Waldfriedhof gehört. Superintendent Dieter Rathing unterstreicht, dass ein Friedhof der geeignete Platz für ein Krematorium sei. „Die mögliche Alternative, in einem Industriegebiet zu bauen, ist aus Sicht der christlichen Trauerkultur undenkbar.“ Er räumt auch ein, dass die Gemeinde finanziell profitieren werde, weist aber darauf hin, dass die Einnahmen nur für die Deckung des Defizits des Friedhofbetriebs verwandt würden.
Auf der anderen Seite steht die Bürgerinitiative im betroffenen Wohngebiet. Hier befürchtet man Belästigung durch Gerüche und Schadstoffemissionen, die beispielsweise bei der Verbrennung von Amalgamfüllungen oder künstlichen Gelenken entstünden. Gabriele Hirte, eine Anwohnerin, gibt die Möglichkeit zu bedenken, dass bei einem Störfall Abgase ungefiltert in die Umgebung gelangen könnten. Außerdem beklagt sie die mangelhafte Informationspolitik der kommunalen Verwaltung: „Trotz dreimaliger schriftlicher Anfrage erhielt ich keine Antwort auf meine Fragen zu umwelttoxikologischen Gesichtspunkten des geplanten Krematoriums.“
Ein weiterer Kritikpunkt der Bürgerinitiative ist, dass eigentlich gar kein Bedarf für ein weiteres Krematorium in der Region bestehe. Für einen rentablen Betrieb seien nach Auskunft des Investors etwa 1.000 Kremierungen pro Jahr notwendig. Wie diese Zahl bei gerade mal 40 jährlichen Verbrennungen in Verden erreicht werden könne, sei nicht nachzuvollziehen. Diese Position wird von Peter Bode, dem Leiter des öffentlich-rechtlich geführten Krematoriums in Bremen unterstützt. „Wir haben etwa 2.800 Kremierungen im Jahr, davon entfallen nur 500 auf Verden und Umgebung.“ Er befürchtet zudem, dass ein neues Krematorium Arbeitsplätze in der gerade erst modernisierten Bremer Anlage gefährden könnte.
Mehr Beschäftigung und Steuereinnahmen verspricht sich wohl auch der Verdener Stadtrat, der das Projekt gegen die Stimmen von Grünen und Teilen der SPD befürwortet. Abgesehen von der wirtschaftlichen Fragwürdigkeit des Projekts sei nach Angaben der Bürgerinitiative allerdings bestenfalls mit fünf neuen Stellen zu rechnen. Axel Domeyer