: „Nicht jede technische Neuerung ist sinnvoll“
Innensenator Ehrhart Körting will nur Lastwagen mit automatischen Kennzeichenlesegeräten überwachen lassen. Einen flächendeckenden Einsatz plant er nicht. Der sei unverhältnismäßig und nicht finanzierbar, sagt Körting
taz: Herr Körting, bei Ihrem PDS-Koalitionspartner hat ein Zeitungsbericht vom Wochenende große Irritation hervorgerufen. Demnach will der Innensenator die Berliner Polizei mit automatischen Kennzeichenlesegeräten ausstatten, um den Autoverkehr zu überwachen. Trifft das zu?
Ehrhart Körting: Der Zeitungsbericht ist in dieser Form nicht richtig. Über den Einsatz der automatischen Kennzeichenlesegeräte wird von den Innenministern diskutiert. In Berlin haben wir einen einzigen Punkt, wo konkret an einen Einsatz gedacht ist: Das betrifft die Überwachung von Lastkraftwagen in Bezug auf Lenk- und Ruhezeiten, um schwere Verkehrsunfälle einzudämmen, die aus der Vernachlässigung der Lenkzeiten herrühren. Es handelt sich dabei um ein EU-Modellprojekt, an dem sich Deutschland beteiligt.
Eine flächendeckende Videoverkehrsüberwachung zu Präventionszwecken ist demnach nicht geplant?
Nein. Das wäre auch wenig zielführend.
Berlins Datenschutzbeauftragter Hansjürgen Garstka sagt, eine umfassende Kontrolle durch Videoüberwachung wäre ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Folgen Sie dem?
Das sehe ich so ähnlich. Es gibt aber einen Bereich, in dem ich mir das vorstellen kann, ohne dass die Polizei das im Moment aktuell beabsichtigt. Wenn man zum Beispiel bei einer Fahndung gezielt Wege beobachten will, auf denen gestohlene Fahrzeuge von ein und derselben Bande aus Berlin ins Umland transportiert werden.
Gibt es solche Trassen tatsächlich?
Es könnte Sinn machen, in solchen Fällen an bestimmten Stellen eine gezielte Überwachung zu machen. Das bedeutet aber nicht, flächendeckend in Berlin bestimmte Kameras zu installieren. Das wäre unverhältnismäßig und im Übrigen auch nicht finanzierbar.
Ihr brandenburgischer Innenminister-Kollege Schönbohm ist ganz begeistert von der Möglichkeiten, die der Kennzeichen-Scanner den Ermittlungsbehörden eröffnet. Seine Befürchtung ist aber, dass die technische Weiterentwicklung durch „die Datenschutzdebatte abgewürgt“ wird.
Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch sinnvoll. Ich sehe das beim Kennzeichenlesegerät so ähnlich wie bei der Videoüberwachung: In einer bestimmten Situation und im bestimmten Einzelfall ist das ein vernüftiges Instrumentarium. Aber wenn man es flächendeckend verwendet, schadet es eher, als dass es nützt. Man kann die Vielzahl der Daten doch gar nicht verarbeiten. Wenn ich ganze Plätze und Straßenzüge überwache, brauche ich Polizei, die vor den Monitoren sitzt, aber eigentlich müsste sie vor Ort sein, wenn etwas Schlimmes passiert. Für die Unterbindung nützt es hinterher nichts, dass Ganze dokumentiert zu haben.
INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE