: Zum Abschuss freigegeben
Der Streit um das „Marat“-Stück ist beigelegt, da bekommt Hamburgs Kultursenatorin Karin von Welck Gegenwind – aus dem eigenen Senat: Die Finanzbehörde bezichtigt sie ungerechter Theater-Subventionen. Hat von Welcks Demontage begonnen?
Gern erinnert man sich in Hamburg an die 85-tägige Suche, die Ole von Beust betrieb, als er im Jahr 2001 Kultursenatorin Christina Weiss ersetzen musste. Er fragte wirklich alle: Nike Wagner, Justus Frantz – sogar Vicky Leandros geisterte durch die Medien. Keiner wollte. Den Zuschlag erhielt schließlich Dana Horáková, Ex-Kulturchefin der Bild-Zeitung. Sollte Karin von Welck gehen müssen, ist das nächste Karussell einigermaßen wahrscheinlich. PS
VON PETRA SCHELLEN
Kultursenatoren haben es nicht leicht. Keiner hört auf sie, und Geld für ihre Schutzbefohlenen müssen sie fast komplett bei Sponsoren erbetteln. Das ist auch in Hamburg so. Aber als Senatorin für Kultur, Sport und die kommunikationsfreudigen Medien sollte Karin von Welck gängige Wege der Kommunikation beherrschen und Missverständnisse vermeiden. Sollte.
Das aber gelingt ihr derzeit nicht: Die Kreise werden enger für die parteilose Senatorin, die so vehement die Theater-, Kunst- und Musiklandschaft neu gestalten wollte. Gerade erst hat sie zum Beispiel das „Missverständnis“ beigelegt, das ihr Versuch erzeugt hatte, die „Marat“-Inszenierung am Deutschen Schauspielhaus zu zensieren: Wäre es nach ihr gegangen, wären dort keine Millionärsnamen verlesen worden.
Da könnte sie gut Ruhe gebrauchen – und schon gibt’s die nächste Keile: Aus Hamburgs Finanzbehörde stammt ein Schreiben, das die Senatorin der ungerechten, ja illegalen Theater-Subventionierung bezichtigt. Konkret geht es um den Ausgleich für die Tarifsteigerungen. Das Schreiben der Financiers behauptet, die Senatorin handle einem Senatsbeschluss vom 3. 9. zuwider. Das kolportierte am Freitag Die Welt.
In Wirklichkeit wurde am 3. 9. bloß ein – noch zu bestätigender – Haushaltsplanentwurf erstellt. Der sieht vor, dass die Tarifsteigerungen „einheitlich berechnet“ werden. Damit sind nicht Summen gemeint, sondern eine Berechnungsmethode. Dass die Theater unabhängig davon „alle denselben Prozentsatz bekommen“, versichert eine Kulturbehörden-Sprecherin.
Das hatten die Geschäftsführer von Thalia, Schauspielhaus und Staatsoper anders verstanden: Zwischen 90 (Thalia) und 71 (Staatsoper) Prozent hatten die Margen gelegen, die die Senatorin angeboten hatte. „Das waren Aussagen zu verschiedenen Verhandlungszeitpunkten“, sagt die Behördensprecherin. Inzwischen sei man bei 90 Prozent angekommen. Mag sein, dass von Welck falsch verstanden wurde. Dennoch: ein weiterer Kommunikationsfehler, den zu beheben es die Senatorin zum Wochenende nicht eben eilig hatte.
Bis hierhin also hat sich Karin von Welck ihre Demontage selbst zuzuschreiben. Tatsache ist aber, dass auch Außenstehende kräftig schießen: Nicht nur, dass die Hamburger Springer-Medien seit Tagen massiv gegen die bis dato gehätschelte Kultursenatorin polemisieren. Auch durch Verteuerung und Verzögerung des Renommierprojekts Elbphilharmonie lastet ein immenser Druck auf der Kulturbehörde, die seit Mai für das Projekt verantwortlich ist. Und was passiert, falls Ende November bekannt wird, dass auch 580 Millionen Euro nicht reichen – und sich die Eröffnung um weitere Jahre verschiebt?
Fest steht: Im Falle weiterer Pannen muss irgendwann ein Schuldiger her. Einer, der für Planungsfehler der Realisierungsgesellschaft Rege ebenso den Kopf hinhält wie für Inkompetenz und Unprofessionalität auf Seiten der Stadt. Eigentlich müssten das natürlich diejenigen sein, die das Projekt einst durchboxten: Der Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sowie die Finanzbehörde, die das Ganze bezahlt, sieht man einmal von den Sponsorengeldern ab. Bürgermeister wie Kämmerer möchten aber nicht nackt dastehen, wenn es um die Verschleuderung von Steuergeldern für ein schon jetzt als elitär verschrienes Gebäude geht. Von Beust hat vorsichtshalber schon mal seinen Staatsrat Volkmar Schön aus der Spitze der Elbphilharmonie-Realisierungsgesellschaft entfernt. Finanzsenator Michael Freytag (ebenfalls CDU) scheint nachzuziehen, indem er von Welck ungerechter Subventionierungspraktiken bezichtigt.
Zwar beteuert die Kulturbehörden-Sprecherin, es gebe keinen Konflikt zwischen Kultur- und Finanzbehörde. Trotzdem hat das Spiel funktioniert: Ausgerechnet das Thalia-Theater, das den größten Subventionszuwachs in Aussicht hatte, scheint der Presse ein mehrere Tage altes Papier zugespielt zu haben. Thalia-Geschäftsführer Ludwig von Otting ließ zwar ausrichten, er wisse nicht, wie der Brief an die Presse gelangt sei. Merkwürdig ist der Vorgang trotzdem. Und erfolgreich: Die Welt blies sofort zum Skandal.
Die Rechnung der Finanzbehörde wäre also aufgegangen, eine weitere Schwächung der Senatorin erreicht. Der Moment ist klug gewählt, denn von Welck laviert auch fachlich: Flau ist die Neubesetzung der Elbphilharmonie-Realisierungsgesellschaft mit einem Ex-Untergebenen des geschassten Chefs. Blutleer wirkt auch Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter, der „noch keinerlei Planungen“ hat. Nein, die Senatorin ist nicht in Höchstform. Und jetzt auch noch bei der Springer-Presse in Ungnade gefallen. Es klingt wie ein Komplott.
Wer Karin von Welck beerben könnte, ist unklar. Über derlei pflegt man sich in Hamburg allerdings wenig Gedanken zu machen: Auch der Elbphilharmonie-Planungschef wurde entfernt, ohne dass ein Nachfolger zur Stelle war. So würde man sich mit der Suche nach einer neuen Senatorin vermutlich auch Zeit lassen. Und dass kompetente und willige Kandidaten rar sind, ist jenen, die gerade so lustvoll schießen, vermutlich egal.