vorlauf: Von der Expansion zur Invasion
„American Psyche“ 22.25 Uhr, 3Sat
Es soll nicht wenige US-Amerikaner geben, die „Austria“ und „Australia“ nicht auseinander halten können. Und das soll nicht das einzige Indiz dafür sein, dass Amerikaner anders „ticken“. Für seine Dokumentation „American Psyche“ (Bret Easton-Ellis lässt matt grüßen) ist der österreichische Filmemacher Herbert Krill quer durchs Land gefahren, um irgendwo zwischen Ost- und Westküste dieses Ticken der „amerikanischen Seele“ zu erlauschen.
Aufgestöbert hat er dabei vor allem intelligente Amerikaner. Camille Paglia, Kulturkritikerin. Barry Glassner, Autor. Michael Zuckerman, Historiker. Ron Takaki, dito. Den desillusionierten Indianer ebenso wie den selbstkritischen white man, der dennoch gerne in blauer Unform die Schlachten des Bürgerkriegs nachspielt. So heterogen diese Gesellschaft ist, so kaleidoskopisch sind die Bilder, die Krill eingefangen hat. „Psyche“ bezeichnet schließlich laut Duden eine „Gesamtheit der seelisch-geistigen Vorgänge“.
Dazu gehören aus historischer Sicht solche Konstanten wie die permanente Expansion vom Osten nach Westen. Laut Professor Takaki hat diese Bewegung nie aufgehört, ihr letztes Ziel sei der Mond gewesen. Wenn ihm jemand die Gelegenheit böte, auf dem Mond zu wohnen, sagt dann der Durchschnittsamerikaner: „I’ll probably jump on it“ – und, boing, lässt Krill einen US-Astronauten durchs Bild hüpfen. Es ist erfreulicherweise die einzige Szene, in der die Dokumentation der verständlichen Versuchung erliegt, „den“ Amerikaner vorzuführen. Ansonsten illustriert „American Psyche“ ohne jede maliziöse Häme die Parameter einer höchst dynamischen Gesellschaft. Die „Kultur der Angst“ (Glassner) vor sich selbst, vor Fremden. Das religiöse Ritual, mit dem neue US-Bürger auf die Fahne eingeschworen werden. Die legendäre „freedom of choice“, Fluch und Segen zugleich. Die Gewissheit, Bürger von „god’s own country“ zu sein.
Mehr kann eine Dokumentation nicht leisten: Wer sich mit ephemeren Argumenten munitionieren will, der lese Michael Moores schickes Buch „Stupid White Men“. Wer ernsthaft begreifen will, der lese besser Jean Baudrillard. ARNO FRANK
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