Scharfe Pepperonischoten

Sie waren schon Weltmusik, als es den Begriff noch gar nicht gab, und nach 20 Jahren improvisieren sie immer noch weit darüber hinaus: Jasper van‘t Hofs „Pili Pili“ gastieren heute Abend in der Fabrik

von Tobias Richtsteig

Die Retro-Shows im Fernsehen lassen uns mit leisem Schaudern an die 80-er Jahre zurückdenken. Zwischen geistig-moralischer Wende und Mauerfall grassierten so unterschiedliche Musikstile wie Punk und Neue Deutsche Welle – und auf den Tanzflächen machten im Zeitalter der Maxi-Single sogar erste Elektro-Hits Furore. Wer hätte damals in den Jugendzentren gedacht, dass Kraftwerk gleichzeitig die einflussreichen Vorbilder für die HipHop-DJs in den amerikanischen Großstädten waren? Erst der Blick zurück enthüllt, wie erfolgreich damals musikalische Experimente auch vor dem großen Publikum durchgeführt wurden.

Der Keyboarder Jasper van‘t Hof zum Beispiel war von seiner Arbeit mit Kollegen wie Archie Shepp, Miroslav Vitous, Larry Coryell und vielen anderen eher als Jazz-Rock-Fusionist bekannt. Als er 1984 mit Trommlern aus Nigeria – der Isaac Tugul Group – und dem deutschen FreeJazz-Trompeter Manfred Schoof ins Studio ging, veröffentlichte das Major-Label WEA den hypnotischen Mix aus funkigem E-Piano und afrikanischen Percussion-Patterns als 15-minütigen Dancefloor-Track und verkaufte über 100.000 Exemplare davon. Der Hit hieß „Pili-Pili“ – nach den afrikanischen Pepperoni-Schoten –, und der Überraschungs-Erfolg wurde zum Geburtshelfer eines Bandprojekts, das heute in der Fabrik sein 20-jähriges Bestehen mit einer großen Jubiläums-Tournee feiert.

Wenn heute Abend Jasper Van‘t Hofs Pili-Pili die Bühne betreten, steht ein Wiedersehen mit alten Freunden auf dem Programm. Für die zehnköpfige Jubiläumsbesetzung hat van‘t Hof aus allen wichtigen Perioden der Band MusikerInnen eingeladen. Nikolas Fiszman war der Bassist der ersten Besetzung, die 1984 zunächst einmal den Dance-Hit „Pili-Pili“ auch live auf die Bühne bringen sollte. Zu Beginn der neunziger Jahre war Pili-Pili längst zu einem Markenzeichen geworden. Den Funk/Jazz-Sound dieser Tage vertreten Saxophonist Tony Lakatos, Posaunistin Annie Whitehead, die auch mit Carla Bley, Joe Jackson oder Robert Wyatt arbeitete, Bassmann Frank Itt, der deutsche Mark King, und Drummer Marlon Klein.

Die aktuellen Pili-Pili dürfen natürlich nicht fehlen: seit 1989 gehört Dra Diara an Percussion und Kora – der westafrikanischen Laute – zum Kern der Band, er prägte mit Trompeter Eric Vloeimans den Sound des jüngsten Albums Ballads of Timbuktu. Als Sängerinnen lassen Izaline Calister aus Curaçao und Mabinthy Sakho aus Guinea (bekannt von ihrer Arbeit mit Peter Gabriel) schon seit 1995 die Sängerin der ersten Stunde, Angelique Kidjo vergessen. Deren Karriere begann bei Pili-Pili, lässt ihr jedoch heute keine Zeit mehr mitzufeiern.

Obwohl auch die Hits aus den vergangenen 20 Jahren auf dem Programm stehen, ist das Jubiläumskonzert alles andere als eine Revival-Gala – schließlich ist Pili-Pili eine besondere Live-Band mit einem eigenen Verständnis von Improvisation. Die Arrangements kommen oft der afrikanischen Tradition entgegen, Rhythmen aus mehreren einfachen Mustern zu entwickeln, die nach und nach miteinander verwoben werden. So ist die Musik der Pilis nicht ein für allemal in einer Original-Version auf den mittlerweile zwölf Alben festgehalten, sondern bleibt lebendig und entsteht bei jedem Konzert neu. Von einer Reise in die Vergangenheit kann bei der Tour also keine Rede sein.

Im Gegenteil: In den vergangenen Jahren ist Pili-Pili die wirklich harmonische Fusion afrikanischer und europäisch-westlich geprägter Elemente gelungen. Der Disco-Hit „Pili-Pili“ war 1984 noch Avantgarde gewesen, bevor es den Begriff „Weltmusik“ überhaupt gab. In den 90-er Jahren wurde Jasper van‘t Hof dann mit dem Vorwurf der „postkolonialistischen Kultur-Raffgier“ konfrontiert – obwohl er lediglich den kommerziellen Erfolg „Pili-Pili“ zur intensiven Zusammenarbeit mit afrikanischen MusikerInnen nutzte.

Im Lauf der Jahre hat er so nicht nur Stars wie Angelique Kidjo in Europa bekannt gemacht, sondern mit Pili-Pili ein Publikum auch über die Grenzen von Weltmusik oder Jazzrock hinaus erreicht. Aus dem Ethno-Dance-Abräumer „Pili-Pili“ hat sich ein zeitgenössischer afrikanisch-europäischer Sound entwickelt. Doch wen interessieren schon multikulturelle Definitionen, wenn Pili-Pili mit ansteckenden Grooves zum Tanzen auffordert?

heute, 21 Uhr, Fabrik