: Der Angeklagte, der so abwesend wirkt
Vor dem Augsburger Landgericht hat der Prozess gegen Max Strauß wegen Steuerhinterziehung begonnen. Der Beschuldigte wirkt apathisch, seine Verteidiger lehnen den medizinischen Gutachter ab, der Strauß für verhandlungsfähig erklärt hat
AUS AUGSBURG JÖRG SCHALLENBERG
Genau ein Wort sagt Max Strauß an diesem Vormittag im Schwurgerichtssaal 101 des Augsburger Landgerichts – und das auch nur zögerlich. „Jurist“, antwortet der Sohn von Franz Josef Strauß auf die Frage des Richters, welchen Beruf er ausübe. Ob Max Strauß allerdings jemals wieder in einer Kanzlei arbeiten wird, ist sehr fraglich. Seine Anwaltszulassung hat er wegen seines Gesundheitszustands bereits zurückgegeben, und viel hängt vom Ausgang des Prozesses ab, der gestern in Augsburg begann.
Umgerechnet gut 2,6 Millionen Euro soll Strauß junior vom zwielichtigen Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber als Provision für Lieferungen von Airbus-Flugzeugen und möglicherweise auch „Fuchs“-Spürpanzern nach Kanada, Thailand und Saudi-Arabien kassiert und nicht versteuert haben. Staatsanwalt Christoph Wiesner wirft dem 44-Jährigen daher Steuerhinterziehung in insgesamt sieben Fällen vor. Strauß hat diese Vorwürfe stets bestritten, die Verlesung der Anklageschrift mit ihren endlosen Zahlenkolonnen hört er sich teilnahmslos an. Ob er dem Prozess überhaupt folgen kann, bleibt strittig.
Wegen schwerer psychischer Probleme lieferten ihn seine Frau und sein Bruder im September 2003 in eine psychiatrische Klinik in München ein. Dort ist er bis heute in stationärer Behandlung, besucht seine Familie allerdings fast täglich. Auf dem Weg in den Gerichtssaal wirkt Max Strauß abwesend und desorientiert. Er sei nur nach Einnahme starker Beruhigungsmittel überhaupt in der Lage, vor Gericht zu erscheinen, sagen seine Anwälte. Verteidiger Wolfgang Dingfelder hakt ihn unter, und es ist ein beinahe komisches Bild, wie der kleine, zierliche Advokat den massigen Strauß zwischen diversen Kamerateams hindurch zur Anklagebank bugsiert. Dort sackt Max Strauß zwischen seinen Anwälten leicht zusammen und starrt vor sich hin. Seine Anwälte haben bereits angekündigt, dass er in Augsburg schweigen wird.
Dafür reden die Verteidiger – und stellen sogleich mehrere Anträge, die auf eine Einstellung des Verfahrens abzielen. So bezweifelt Wolfgang Dingfelder zunächst die Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg, da Strauß in München wohnt. Sein Kollege Hans Dahs legt anschließend dar, dass der Angeklagte wegen seines Zustands nicht in der Lage war, sich angemessen auf ein so komplexes Verfahren vorzubereiten und verweist auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Schließlich greift wiederum Dingfelder den Augsburger Landgerichtsarzt Richard Gruber an, der Strauß vor knapp zwei Wochen für verhandlungsfähig erklärte. Gruber sei „menschenverachtend und ehrverletzend vorgegangen“, habe lediglich eine Stunde lang mit Strauß geredet und sich zudem anschließend in einem Zeitungsinterview damit gebrüstet, dass man einen erfahrenen Gutachter wie ihn „nicht aufs Kreuz legen könne“ und er Simulanten schnell durchschaue.
Damit ist der erste Prozesstag schon mittags beendet. Die Staatsanwaltschaft weist die Anträge als unbegründet zurück, der Vorsitzende Richter Maximilian Hofmeister fordert den Gutachter auf, binnen zwei Tagen eine Stellungnahme abzugeben und vertagt auf den kommenden Dienstag. Zuvor verkündet er noch, dass der ehemalige Schreiber-Mitarbeiter Giorgio Pelossi, ein entscheidender Belastungszeuge, wegen eines anderen Verfahrens nicht nach Augsburg kommen wird. Er muss in der Schweiz vernommen werden.
Auch ein anderer geladener Zeuge wird wohl kaum im Schwurgerichtssaal erscheinen: Karl-Heinz Schreiber lebt in Kanada und kann sich so jeder Verfolgung entziehen.