Clement hält Schirm über Gerster

Trotz neuer, schwerer Vorwürfe in Zusammenhang mit Beraterverträgen stellt sich der Wirtschaftsminister zunächst schützend vor den Chef der Bundesagentur für Arbeit

BERLIN taz ■ Es war eine demonstrative Geste: Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) lobte gestern den Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA). „Es gibt nicht viele Leute, die so gut sind wie Herr Gerster“, dekretierte der Minister. „Er ist ein hervorragender Fachmann.“ Damit war geklärt, dass Florian Gerster (ebenfalls SPD) vorerst im Amt bleiben darf.

Zuvor hatte Bild behauptet, dass in der BA „neue gravierende Unregelmäßigkeiten aufgedeckt“ worden seien – durch einen Überraschungsbesuch von Peter Clever in der Nürnberger BA-Zentrale am Montag. Clever sitzt als Arbeitgebervertreter im BA-Verwaltungsratspräsidium und soll durch sein Gespräch mit der BA-Innenrevision „ermittelt“ haben, dass Gerster „eigene Fehler gegenüber dem Wirtschaftsminister verschleiert“. Im November war Gerster in die Kritik geraten, weil er im Februar mit der Beraterfirma WMP einen Vertrag über 1,3 Millionen Euro abgeschlossen hatte, ohne ihn vorher auszuschreiben.

Heute nun legen das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung mit weiteren Details nach: Demnach wurden Aufträge ohne vorherige Ausschreibung und damit rechtswidrig vergeben. Zwei Verträge seien an die Beratungsfirma Roland Berger gegangen. Der erste sei am 22. April 2003 vergeben worden und habe ein Volumen von 625.000 Euro, der Folgeauftrag vom 18. Juli umfasse 398.000 Euro. Gegenstand seien Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktinspektion und der Auszahlung des Kindergeldes. Der dritte, mit IBM abgeschlossene Vertrag habe einen Umfang von 640.000 Euro und betreffe ein Service-Center für IT-Leistungen. Alle Aufträge seien von der Fachebene vergeben worden und nicht vom Vorstand, berichtete das Handelsblatt. Im Fall der Berger-Verträge sei nicht auszuschließen, dass die Ausschreibung bewusst umgangen worden sei. Den Zeitungsberichten zufolge hieß es in Regierungskreisen, nach diesen neuen Enthüllungen sei Gerster vermutlich nicht mehr zu halten.

Der BA-Chef versuchte gestern, die Medienberichte zu entdramatisieren. So bestritt Gerster, dass Clever überraschend angereist war. Der Termin sei bereits letzte Woche vereinbart worden. Und überhaupt: „Das war kein Kontrollbesuch. Wenn ein Aufsichtsratsvorsitzender zu seiner Organisation kommt und mit dem Vorstand spricht, ist das ein normaler Vorgang.“

Von Clever wiederum war gestern nichts zu erfahren; stattdessen äußerte sich sein Chef, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Auch er lobte Gerster: Er sei der Mann, der „die riesige Aufgabe“ schultern könne, die BA umzustrukturieren. Zu den angeblichen Unregelmäßigkeiten sagte Hundt nur knapp, er sei „über die Vorgänge in Nürnberg informiert“. Ansonsten wolle er die Ermittlungen der BA-Innenrevision abwarten. Ähnlich hält es Wirtschaftsminister Clement.

Nach dem WMP-Skandal hatte der BA-Verwaltungsrat die Innenrevision im Dezember beauftragt, alle 48 Beraterverträge zu überprüfen, die ein Volumen von 200.000 Euro überschreiten. Diese interne Kontrolle ist nun fast abgeschlossen. Gestern Abend sollte das Präsidium des Verwaltungsrats einen „aktuellen Zwischenbericht“ erhalten, voraussichtlich am Freitag soll dann das „Endergebnis“ an alle Gremien gehen und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. An diesen Terminvorgaben hielt die Bundesanstalt für Arbeit fest. Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums erklärte gestern Abend ebenfalls, dass man sich zu den neuen Vorwürfen nicht äußern wolle. Von daher konnte Gerster es sich gestern noch relativ leicht machen. Er reagierte wie schon in der letzten Woche: Das seien alles nur „Scheinwidersprüche“.

Ein Widerspruch könnte Gerster indes wirklich gefährlich werden – der seines obersten Dienstherrns, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Diese Abhängigkeit kennt der BA-Chef selbst am besten und fasste es gestern so zusammen: „Ich bleibe an Bord, solange ich das Vertrauen der Regierung habe.“

ULRIKE HERRMANN