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Archiv-Artikel

664 Bremer im Visier

Zum Teil unrechtmäßig und meistens erfolglos: Der Datenschutzbeauftragte rüffelt Polizei und Handelskammer wegen Verstößen bei der Rasterfahndung

Von sim

taz ■ Harsche Kritik an der Durchführung der Rasterfahndung in Bremen hat gestern der Landesdatenschutzbeauftragte Sven Holst geäußert. Zum Teil seien Daten ohne Rechtsgrundlage verwendet worden, die Begründung der Fahndung sei mangelhaft, die ihm zustehende Kontrolle sei umgangen und der Datenschutz oft nur unzureichend beachtet worden. Der polizeiliche Erfolg der Maßnahme sei zudem „fraglich“, so Holst. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 habe die Bremer Polizei rund 100.000 Personen-Datensätze überprüft und schließlich 664 Bremer ans Bundeskriminalamt (BKA) gemeldet. Das habe bisher 18 BremerInnen als „verdächtig“ eingestuft, gegen die jetzt polizeiliche Ermittlungen liefen – Ergebnis unbekannt.

Innensenator Kuno Böse (CDU) wollte gestern zu dem Zwischenbericht des Datenschützers, der ihm seit mehreren Wochen vorliegt, keine Stellungnahme abgeben. Man warte auf eine Antwort der Polizei und sei zudem „sehr irritiert“ darüber, dass Holst ohne Rücksprache an die Öffentlichkeit getreten sei, sagte Sprecher Markus Beyer.

Holst kritisierte insbesondere die Anordnungen, mit denen die Polizei die Personen-Daten bei Universitäten, Hochschulen, Handelskammern und Behörden angefordert hatte. Aus diesen sei nicht ersichtlich, ob die Maßnahme tatsächlich erforderlich, geeignet und verhältnismäßig sei; die angewandten Raster-Merkmale – Männer zwischen 18 und 40 Jahren, die aus einem von 27 festgelegten Ländern stammten – seien zudem nur unzureichend begründet worden. Ohne Rechtsgrundlage habe die Polizei auch die damals noch in ihrem Haus verwalteten Daten von Flughafenbeschäftigten verwendet, bemängelte Holst.

Bei der Änderung des Bremischen Polizeigesetzes Ende 2001 hatten SPD und CDU auf einen Richtervorbehalt bei der Rasterfahndung verzichtet. Die damals hervorgehobene Kontrollfunktion des Datenschutzbeauftragten sei aber ins Leere gelaufen, stänkerte Holst: „Ich bin immer erst informiert worden, wenn alles schon schief gelaufen war.“

So habe etwa die Bremer Handelskammer gleich alle 3.500 Personen, die bei ihr die Gefahrgutfahrerprüfung abgelegt hatten, in die Rasterfahndungs-Mühlen der Polizei geworfen – anstatt zuvor ein wenig vorzusortieren. „Das entsprach nicht den Regelungen“, betonte Holst. Geschäftsführer Günther Lübbe sieht indes kein Fehlverhalten der Kammer: „Wir haben uns an die Anordnung gehalten.“

Während die nicht ans BKA übermittelten Daten inzwischen größtenteils gelöscht wurden, gelten 664 BremerInnen auch nach 16 Monaten immer noch als potenziell verdächtig. Ihre Daten sollen erst vernichtet werden, wenn das BKA seine Auswertungen beendet hat – ein „ungebührlich langer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, wie Holst betont.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion und Vorsitzende des Polizei-Kontrollausschusses, Hermann Kleen, gab gestern zu, dass „ein konkret messbarer Erfolg“ der Rasterfahndung „nicht erkennbar“ sei. Ein Erfolg könne jedoch auch „in der Verunsicherung von möglichen Schläfern“ liegen. Kleens Kollege bei den Grünen, Matthias Güldner, drückt sich deutlicher aus: Die Rasterfahndung sei „eine fehlgeschlagene Maßnahme“; selbst bei den 18 angeblich Verdächtigen „gibt es keine Anhaltspunkte auf Straftaten“. sim