Der Weg alles Irdischen

Ein Treffen von Senator Flierl, dem Humboldt-Uni-Chef und dem Bischof brachte nichts: Theologiefakultät wird drastisch verkleinert und verliert Eigenständigkeit. Eine große Tradition stirbt

VON PHILIPP GESSLER

„… und leider auch Theologie!“, hat Goethes Faust nach eigenem Bekunden studiert. Ebenso Philosophie, Juristerei und Medizin „mit heißem Bemühn“, wie der Gelehrte sagt – und kommt doch nur zum Ergebnis: „Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.“

Die Frage ist also alt: Wozu ist Theologie nutze? Zu nicht allzu viel, denken offenbar Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) und der Präsident der Humboldt-Universität (HU), Jürgen Mlynek: Vehement haben sie die Entscheidung von Universitätsleitung und Senat verteidigt, die Zahl der Theologieprofessoren an der HU von derzeit 15 auf 10 zu verringern. Außerdem soll die Theologische Fakultät ihren eigenständigen Status verlieren und in einer „Philosophisch-Historische Fakultät“ aufgehen. Von dieser Entscheidung sind Flierl und Mlynek auch nach einem Spitzentreffen am Dienstagabend mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem hiesigen Bischof Wolfgang Huber, nicht abgerückt.

Wahrscheinlich wäre alles andere auch ein Wunder gewesen. Dabei haben die Verteidiger der Professorenzahl und einer eigenständigen Fakultät gute Argumente auf ihrer Seite: Die hiesige Fakultät hat, je nach Rechenweise vor oder nach Münster, die meisten evangelischen Theologiestudenten der Bundesrepublik, nämlich rund 1.000. Auch steigt ihre Zahl, und zwar im Gegensatz zu der anderer theologischer Fakultäten in Deutschland. Zudem ist die Fakultät nach Auskunft der Kirche die größte Ausbildungsstätte für evangelische Pfarrer in Deutschland. Ein klassisches Kompetenzzentrum.

Hinzu kommen historische Argumente: Eine theologische Fakultät gehört seit dem Mittelalter zum festen Kanon einer kompletten Universität. Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts studierte in Berlin jeder dritte Student auch Theologie. Und selbst zu DDR-Zeiten war im Sprachenkonvikt in Ostberlin, der freien theologische Hochschule der Kirche, die Zahl der Dozenten höher, als sie bald wäre, wenn die Pläne Flierls und Mlyneks umgesetzt würden.

Dabei hat die Theologische Fakultät im vergangenen Jahrzehnt schon viel bluten müssen: Noch vor zehn Jahren hatte die Theologische Fakultät 39 Professoren. Und die Zukunft sähe nicht rosig aus: Mit zehn Professoren wäre diese einzige Theologische Fakultät Berlins und Brandenburgs der Professorenzahl nach auf Platz 15 der Fakultäten für evangelische Theologie gerutscht, erklärt Theologieprofessor Richard Schröder, früher Abgeordneter der frei gewählten Volkskammer und des Bundestags. Kompetenzzentrum, ade!

Flierl legte sich schon in seiner Zeit als Baustadtrat von Mitte ganz gern mit der Kirche an – dass ihre Argumente bei ihm verfangen, darauf können die HU-Theologen kaum hoffen. Und was ist wohl in dieser Hinsicht von einem Experimentalphysiker wie Mlynek zu erwarten? Wozu ist Theologie schon nutze?

Neulich mahnte ein ehemaliger Dozent am Sprachenkonvikt, der Theologe Wolf Krötke, bei der „Langen Nacht der Theologie“ im Rahmen der Uniproteste im Dom: So wenig wie zu DDR-Zeiten der Macht des Staates, dürfe man sich heute der Macht des Geldes ergeben: „Das sollte an diesem Ort nicht sein!“

Wozu ist Theologie nutze? Wenn es so weitergeht, wird man bald nicht einmal mehr die Frage verstehen.