: Die Korrekturen
Der Kontext der Kunst Oder eine Ausstellung ist eine Ausstellung ist eine Ausstellung: Warum nur die bildende Kunst zur RAF die historisch-pädagogische Begleitung braucht
Warum laufen staatlich geförderte Filme zur RAF seit Jahren in den Kinos, ohne dass jemals die Forderung nach der begleitenden, historisch-kritischen Ausstellung laut wurde? Warum wurden Romane zur RAF verlegt, ohne diese Forderung? Staatlich geförderte Theaterstücke und Opern aufgeführt? Blieben die Prada-Meinhof-T-Shirt-Träger von ihr unbehelligt? Die Musikindustrie? Warum geht die Forderung allein an die bildende Kunst? Was macht sie so anfällig für ein Ansinnen, das an alle Künste zu richten wäre?
Die freimütige Antwort kann nur lauten: Es liegt an der Ausstellungssituation. An die Rezeptionssituation von Film, Buch, Musik und Mode ist eine institutionelle Auseinandersetzung mit der Geschichte der RAF nicht anschlussfähig. Sehr wohl aber an die einer Kunstausstellung. Wer sie besucht, kann die politische Ausstellung gleich mitnehmen – am besten mit umgekehrter Akzentsetzung. Wer freilich ins Kino geht, ist in jeder Hinsicht erst einmal weit weg vom Ort einer Ausstellung. Aus diesem höchst banalen Grund liefert die Kunst den Vorwand, das Versäumte nachzuholen. Wie sie dabei ins Hintertreffen kommt, zeigt das Problem des Radical Chic in der Kunst.
Es ist ja aufschlussreich, dass Gerhard Richter sagt, er habe seine berühmte Bilderserie zum 18. Oktober mit den Accessoires der RAF-Toten, zum Beispiel Baaders Plattenspieler, gemacht, um dem eigenen Bedeutungsverlust als Künstler zu begegnen. Doch die Diskussion über diese Äußerung ist eine des Kunstkontextes und keine des RAF-Kontextes. Sie bedarf keiner begleitenden Geschichtsausstellung, etwa der Bundeszentrale für politische Bildung, in der diese Diskussion nicht geführt werden wird. Eine solche Ausstellung wird die Kunst zum Anhängsel eines politischen Diskurses machen, der erheblich durch die Tatsache geprägt ist, dass die Politik – mehr als die Angehörigen der Opfer – noch heute höchste Empfindlichkeit beim Thema zeigt. Gerhard Richters Hoffnung ist leider trügerisch. Die Bedeutung, die er sich von der RAF für die Kunst holen wollte, fällt doch nur der Wissenschaft zu, die von politischer Seite für kompetent erklärt wird und damit legitimiert wird, Richter und die Kunst zu korrigieren.
Auch der Rezipient soll korrigiert werden und das, was er aus der RAF macht. Nur Unsinn, nur Pop und Geschichtsvernichtung, das wissen wir ja eh. Doch er wird sich seinen Willen zur Abstraktion, wie Klaus Theweleit die Folklorisierung der RAF nennt, nicht brechen lassen. Er lässt sich nicht korrigieren. Vielleicht lässt er sich aufklären. Aber sicher nicht hinterrücks, über den Umweg der Kunst. Die öffentliche Aufarbeitung der Geschichte der RAF, etwa in Form einer Ausstellung, die reisen würde und die wie die Wehrmachtsausstellung talk of the town wäre, ist überfällig. Vielleicht wegen der ebenfalls längst überfälligen linken Selbstreflexion in diesem Zusammenhang? Über ihre Liebe zur Schulmeisterei, was die Künste betrifft, nachzudenken wäre der erste Schritt einer solchen Selbstreflexion der Linken, und darüber, warum diese nun herhalten müssen, das Versäumte zu aktualisieren.
BRIGITTE WERNEBURG