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Archiv-Artikel

Keine Unterstützung aus Paris

Nach Angaben von Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie gibt es in Frankreich keine „spezifischen militärischen Vorbereitungen“ für einen Krieg gegen den Irak

PARIS taz ■ „Einen Krieg kann man alleine machen“, erklärte Frankreichs Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie, „aber was danach kommt, lässt sich nicht von einem Land allein bewältigen. Dazu ist Europa nötig.“ Wenige Stunden vor Bekanntwerden des jüngsten Berichtes der UN-Inspektoren über den Irak und kurz nach einer kriegerischen Pressekonferenz von US-Präsident George W. Bush sagte die Politikerin gestern in Paris, dass eine Lösung der Krise weiterhin mit friedlichen Mitteln möglich sei. „Wir sind nicht in einer Kriegslogik“, sagte sie und bestritt, dass Frankreich an irgendwelchen „spezifischen militärischen Vorbereitungen“ mit den USA beteiligt sei. „Es gibt lediglich den üblichen ständigen Kontakt zwischen unseren Stäben“, versicherte sie.

„Man muss wissen, was man erreichen will“, so Alliot-Marie vor Journalisten. Wenn es darum gehe, Massenvernichtungsmittel zu zerstören, „sind UN-Inspektionen das bessere Mittel. Das hat sich in den 90er-Jahren gezeigt, als die Inspektoren deutlich mehr Waffen vernichteten als der vorausgegangene letzte Krieg gegen den Irak.“ Nur die Inspektoren selber könnten feststellen, so Alliot-Marie, ob ihre Arbeit blockiert sei. Zu einem französischen Veto im Weltsicherheitsrat wollte sich MAM, wie die Verteidigungsministerin in Frankreich genannt wird, nicht äußern. „Die Frage stellt sich nicht“, sagte sie.

Neben den bereits mehrfach von Frankreich genannten Argumenten gegen ein militärisches Vorgehen – die Konsequenzen für die Stabilität einer ohnehin fragilen Region, die Gefahr einer Aufrüstung des organisierten Terrorismus – sieht MAM das Erstarken eines „individuellen Terrorismus“ als absehbare Folge eines Krieges. „Eine Konfrontation zwischen der arabomuslimischen Welt und dem Westen kann dazu führen, dass auch Einzelpersonen Terrorakte verüben, wie es jetzt schon in Kabul geschieht“, prognostiziert sie, „davor ist keines unserer Länder geschützt.“ Das dazu nötige Material, beispielsweise chemische Produkte, sei leicht zugänglich.

Auf innereuropäischer Ebene bewertet die Chefin über 270.000 Soldaten die Irakkrise als bislang deutlichstes Zeichen für die deutsch-französische Nähe. „Wir haben dieselbe Logik“, beschreibt sie den Umgang Berlins und Paris’ mit der Krise.

Dass ihre konservativen Freunde in Deutschland in der Irakkrise ein grundsätzlich anderes Vorgehen gegenüber den USA gewählt hätten als die französischen Rechten, bestätigte Alliot-Marie nicht. „Stoiber und Merkel hätten mich angerufen und über den Brief der acht informiert“, sagt sie über den hypothetischen Fall einer CDU/CSU-Regierung. Die Unterstützungserklärung von acht europäischen Regierungschefs an die USA, die CDU-Chefin Angela Merkel nach eigenem Bekunden unterschrieben hätte, ist für Alliot-Marie, die bis 2002 Chefin der großen rechten französischen Partei RPR war, die Schöpfung einer US-Marketingagentur. Deren Ziel war es, „Europa zu spalten – und die Spaltungen in den USA zu kaschieren.“

Statt über einen Krieg gegen den Irak äußerte sich Alliot-Marie zu einer eventuellen Nachkriegszeit im Irak. Da seien die Vereinigten Staaten, so die Verteidigungsministerin, auf Europa angewiesen. DOROTHEA HAHN