: Größte Elbvergiftung seit der Wende
Umweltbehörde erlaubt Einleitung ungeklärter Baustellenabwässer aus dem Mühlenberger Loch. Planfeststellungsbeschluss für Airbus-Werkserweiterung übergangen. Die GAL hält das für unrechtmäßig und befürchtet eine Überdüngung der Nordsee
von GERNOT KNÖDLER
Die Umweltbehörde hat der Realisierungsgesellschaft für die Airbus-Werkserweiterung A380rea erlaubt, schadstoffbelastetes Baustellen-Abwasser ungeklärt in die Elbe zu leiten. Damit setzt sich die Behörde über den Planfeststellungsbeschluss zu dem Projekt im Mühlenberger Loch hinweg und spart der Realisierungsgesellschaft nach Schätzung der GAL vier Millionen Euro. „Dieser staatlich legitimierte Umweltskandal erinnert an längst vergangen geglaubte Zeiten“, sagte der Bürgerschaftsabgeordnete Christian Maaß. „Das ist die größte Elbvergiftung seit der Wende“, konstatierte Manfred Braasch vom BUND.
Maaß machte den Skandal an einem griffigen Vergleich deutlich: „Stellen Sie sich vor, in Lüneburg gäbe es einen neuen Bürgermeister, der beschließt, die städtischen Abwässer ungeklärt in die Elbe zu leiten, weil diese ja ohnehin schon stark belastet ist.“ Das Gleiche plane der Senat für die Airbus-Baustelle im Mühlenberger Loch. Die Schadstofflast die der Senat der Elbe aufbürden wolle, entspreche der Jahresmenge Lüneburgs.
Der GAL-Umweltexperte kam Schwarz-Schill auf die Schliche, weil er sich darüber wunderte, dass Kosten für die Entsorgung des Baustellen-Abwassers im November 2002 um mindestens 3,6 Millionen Euro höher veranschlagt wurden als im Mai. In der Antwort auf eine entsprechende Anfrage teilte der Senat mit: „Unter Berücksichtigung der anfallenden Schadstofffrachten hat die zuständige Behörde mit Bescheid vom 22.01.2003 die Einleitung von Drainage- und Baustellenwasser in die Elbe genehmigt, solange die Temperaturen der Elbe unterhalb von 10 Grad Celsius liegen. Steigt die Temperatur über diesen Wert, wird eine Abwasserbehandlung wieder erforderlich sein.“ Aufgrund des neuen Genehmigungsstandes sei von einer deutlichen Reduzierung der veranschlagten Kosten auszugehen. Problem gelöst!
Im Planfeststellungsbeschluss zur Werkserweiterung ist für Abwassertemperaturen zwischen fünf und zehn Grad ein Grenzwert für Ammonium-Stickstoff von zehn Milligramm pro Liter festgeschrieben. Dieser wird in der Regel um das Zwei- bis Vierfache überschritten und soll jetzt nicht mehr gelten.
Der Stickstoff führt zu einer Überdüngung der Gewässer: Algen wachsen besonders üppig. Sterben sie, werden sie unter Verbrauch von Sauerstoff abgebaut. Bei einer großen Menge toter Biomasse kann das vor allem im Sommer dazu führen, dass der Sauerstoff-Gehalt des Wassers unter einen kritischen Wert sinkt und die Fische sterben. Ein Stopp der Einleitung bei einer Elbwasser-Temperatur von zehn Grad verschont zwar den Strom, nicht jedoch die ohnehin belastete Nordsee. Dort landet der im Winter in den Strom gespülte Stickstoff und lässt im Sommer die Algen blühen.