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Zehn Nullen für die Bank

Die HSH Nordbank braucht 30 Milliarden Euro an Staatsbürgschaften. Nach Verlusten müssen Hamburg und Schleswig-Holstein auf Dividenden verzichten: Vier Jahre lang fehlen je 70 Millionen

INSEL DER GLÜCKSELIGKEIT

Die Norddeutsche Landesbank (Nord/LB) muss nicht auf das Rettungspaket der Bundesregierung zurückgreifen. Für das Haus „gibt es derzeit keinen Grund, unter den Schirm des Rettungspakets zu schlüpfen“, sagt Hartmut Möllring, Aufsichtsratsvorsitzender der Nord/LB und niedersächsischer CDU-Finanzminister. Die Landesbank für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt – sowie über ihre Tochter, die Bremer Landesbank, auch für Bremen – habe solide gewirtschaftet und müsse nur Abschreibungen im unteren dreistelligen Millionenbereich vornehmen. Die Grünen kritisierten, Möllring halte Niedersachsen immer noch für eine „Insel der Glückseligkeit“, da er keinen Handlungsbedarf sehe. taz

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Es geht um 30.000.000.000 Euro: Staatsbürgschaften in einer Größenordnung von bis zu 30 Milliarden Euro will die HSH Nordbank über vier Jahre hinweg bis 2012 beantragen. Und diese Stützung aus dem Rettungsfonds von Bund und Ländern ist vielleicht noch nicht der endgültige Betrag, sagte HSH-Vorstandchef Hans Berger nach einer Krisensitzung des Aufsichtsrats am Montag in Kiel. „Wegen der anhaltenden Marktturbulenzen“ seien noch in diesem Jahr „weitere Wertberichtigungen nicht auszuschließen“, so Berger.

Bislang hat die gemeinsame Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein in diesem Jahr Verluste von 360 Millionen Euro gemacht, gab Berger bekannt. Gerüchte aus Finanzkreisen, dieser Betrag könne sich bis zum Jahresende verdoppeln, werden jedoch dementiert.

Letztlich summieren sich die Abschreibungen in den ersten neun Monaten auf 1,3 Milliarden Euro. Allein im dritten Quartal hatte die Nordbank im Zuge der internationalen Finanzkrise etwa 500 Millionen Euro in den Sand gesetzt; davon entfielen rund 120 Millionen Euro auf direkte Geschäfte mit der zusammengebrochenen US-Bank Lehman Brothers.

Die Malaise aber hatte schon vorher begonnen: Bereits im ersten Halbjahr 2008 hatte die Bank 500 Millionen Euro abschreiben müssen. Zusammen mit so genannten Wertberichtigungen aus dem vergangenen Jahr muss die HSH Nordbank nach aktuellen Berechnungen krisenbedingt etwa 2,3 Milliarden Euro in den Wind schreiben.

Eigentümer der Nordbank sind Hamburg (30,41 Prozent), Schleswig-Holstein (29,10 Prozent) und der dortige Sparkassenverband (14,82 Prozent) sowie der US-Investor Christopher Flowers (25,67 Prozent). Sie hatten das Eigenkapital der Bank im Frühjahr mit zwei Milliarden Euro gestärkt. Ein Börsengang wurde wegen der Krise auf unbestimmte Zeit verschoben.

Gänzlich ungesichert sind die Schecks, welche die Nordbank in den vergangenen Jahren an ihre Besitzer regelmäßig auszustellen pflegte. Bei der Halbjahrespressekonferenz hatte Berger Anfang September noch einen Jahresgewinn von 400 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Zeitgleich hatte Hamburgs Finanzsenator Michael Freytag (CDU) betont, die Dividendenzahlungen durch die Landesbank seien sicher. Freytag ist ebenso Mitglied des HSH-Aufsichtsrates wie sein Kieler Ressortkollege und Parteifreund Rainer Wiegard. Vorsitzender des Kontrollgremiums ist Hamburgs früherer CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner.

Jetzt müssen die drei einräumen, dass die Dividenden von etwa 70 Millionen Euro, welche jedes der beiden Länder jährlich einzustreichen pflegte, auf absehbare Zeit gestrichen sind. Erstens erwirtschaftet die Bank keine Überschüsse mehr; zudem untersagt das von der Bundesregierung konzipierte Rettungspaket Ausschüttungen an Anteilseigner – im Falle der HSH Nordbank bis ins Jahr 2012. Schließlich ist es nicht dazu da, die Renditen von Aktionären zu sichern.

Wiegard stellt diese fehlende Einnahme angesichts seines ohnehin löcherigen Haushalts vor ein neues Problem. Der Etat werde immer mehr „zu einem Luftschloss“, spottete gestern die grüne Haushaltspolitikerin Monika Heinhold. In Hamburg fließt das Geld an die Staatsholding HGV, den Dachverband aller städtischen Unternehmen, sowie in die Versorgungskasse für pensionierte Staatsdiener. Beide könnten, beschwichtigte die Finanzbehörde vor einer Woche, einen Dividendenausfall im Jahresabschluss „auffangen“. Allerdings nicht vier Jahre lang und ohne Hilfe aus dem Haushalt.

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