Und täglich eine neue Gerster-Meldung

Die Regierung will sich am Wochenende äußern, wie sie Florian Gersters Führung der Bundesagentur für Arbeit bewertet. Obwohl nicht alle Vorwürfe belegt sind, machen die vielen negativen Schlagzeilen jetzt auch SPD-Abgeordnete nervös

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Wird Florian Gerster zurücktreten müssen? So lautet momentan die meistgestellte Frage. Eine Antwort ist jedoch nicht so bald zu erwarten. Ob der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) nun im Amt bleibt oder nicht, war auch gestern offen. Der BA-Verwaltungsrat wird sich erst am Wochenende zu einer Sondersitzung treffen, um über die umstrittenen Beraterverträge zu beraten. Auch die Bundesregierung will sich erst dann äußern.

Bis dahin soll der Bericht der BA-Innenrevision vorliegen, die derzeit alle 48 Beraterverträge überprüft, die ein Volumen von 200.000 Euro übersteigen. Insgesamt hat die BA in den Jahren 2003 und 2004 etwa 170 Beraterverträge für ungefähr 70 Millionen Euro abgeschlossen.

Im November war erstmals bekannt geworden, dass zumindest einer dieser Verträge vorher nicht ausgeschrieben wurde – konkurrenzlos hatte die Beraterfirma WMP im Februar den Auftrag erhalten, für 1,3 Millionen Euro eine „Kommunikationsstrategie“ für die BA zu erarbeiten. Dies war rechtswidrig, wie auch der Bundesrechnungshof später befand. Der BA-Verwaltungsrat beauftragte daher im Dezember die Innenrevision, alle größeren Beratungsverträge zu kontrollieren.

Zwar ist diese Überprüfung immer noch nicht abgeschlossen – doch vorab verbreitete sich das Gerücht, dass bei weiteren drei Beraterverträgen die Vergaberichtlinien nicht eingehalten worden seien. Aber wie das mit Gerüchten so ist, blieben die Vermutungen zunächst eher vage.

So meldete die Süddeutsche Zeitung gestern zwar ganz genau, dass sich die beiden angeblich beanstandeten Verträge mit der Beratungsfirma Roland Berger auf 625.000 und auf 398.000 Euro beliefen. Doch dann folgte als Einschränkung, dass es sich laut BA um Folgeaufträge handele. Die jedoch müssen nicht nochmals ausgeschrieben werden, wenn sie weniger als 50 Prozent vom Volumen des Hauptprojekts ausmachen. „Diesen Prozentsatz erreichten die Berger-Verträge nicht“, wusste die SZ zu melden. Auch der Folgevertrag mit IBM belaufe sich auf weniger als die Hälfte vom Erstauftrag. Ja, wo ist dann der Skandal?

Darauf hatte Bild gestern eine Antwort. Das Blatt führte aus, dass einer der Folgeverträge an Berger nicht mit dem „anders lautenden Generalvertrag“ übereinstimme. Der selbst denkende Leser erkennt: Aha, es handelte sich also um eine Art geschummelten Folgeauftrag.

Völlig andere Vorwürfe hat wiederum Spiegel Online ausgegraben: Das Internet-Magazin beschäftigte sich gestern nicht nur mit jenen Aufträgen, die nicht ausgeschrieben wurden – sondern vor allem mit den erfolgten Ausschreibungen. So habe McKinsey unverhältnismäßig viele Aufträge erhalten – durch einen Informationsvorsprung: Schließlich sei die Beratungsfirma schon vor den Ausschreibungen in der BA tätig gewesen, um den „Masterplan“ für den Umbau zu erarbeiten. Was immer man von diesen Vorwürfen halten mag – sie haben den strategischen Nachteil, dass man sie genauso gut schon im September hätte erheben können.

Am Ende könnte es für das Schicksal Gersters egal sein, ob sich die Anschuldigungen erhärten lassen. Der einflussreiche SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner sagte gestern im WDR, dass Politik manchmal handeln müsse, „obwohl es keine gerechtfertigten Vorwürfe gibt“. Der Umbau der BA sei gefährdet, „wenn man Wochen und Monate immer personelle Schlagzeilen bearbeiten muss“.

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