: Besuch in Clara Zetkins Zimmer
Die letzte Lebensstation Clara Zetkins war in Birkenwerder. Heute ist in dem Haus eine kleine Gedenkstätte eingerichtet. Was liegt näher, als es am 8. März zu besuchen?
Clara Zetkin verdanken wir den Frauentag. Auf der Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen schlug sie vor, dass ein Tag im Jahr dem weltweiten Kampf für das Frauenwahlrecht vorbehalten sei. Darauf basiert die Tradition des 8. März.
Zetkin führte ein unstetes Leben. Leipzig, Paris, Stuttgart, Moskau, Berlin sind Stationen ihrer Biografie. Die letzten vier Jahre bis zu ihrem Tod 1933 lebte sie in Birkenwerder. Eine kleine Wohnung wollte sie. Ihr Sohn fand ein Haus mit Garten für die damals 73-Jährige. Was liegt näher, als am 8. März dorthin zu pilgern? Mit viel Liebe schützt ein Förderkreis das einzige Zimmer im Haus, in dem ihre Dinge bewahrt werden: Tisch, Stühle, Bücher, eine Récamiere, ein Ohrensessel, ihr Stock, ihr Umhängetuch, ein paar Briefe, zwei Bilder, gemalt von ihrem zweiten Mann.
Anders als die Ikone der Frauenrechte, zu der sie die DDR machte, und anders als die Lesart der BRD, die sie zur Kommunistin erklärte, die die Frauen- an die Klassenfrage verriet, besticht Zetkins Leben durch Brüche und Widersprüche. 1857 geboren in einer Zeit, in der Frauen noch nicht studieren dürfen, kommt sie mit sozialistischen Ideen in Kontakt, verliebt sich in den russischen Revolutionär Ossip Zetkin und folgt ihm 1882 nach Paris. Nicht verheiratet nennt sie sich Zetkin, bringt zwei Söhne zur Welt und versucht als Emigrantin die Familie über Wasser zu halten. 1889 stirbt Ossip. Im selben Jahr hält sie auf dem Internationalen sozialistische Kongress in Paris ihren ersten Vortrag zur Frauenfrage. Ihre These: Die ökonomische Unabhängigkeit der Frau ist Grundlage der Emanzipation.
1901 geht sie nach Stuttgart, wird Redakteurin der sozialistischen Frauenzeitschrift Die Gleichheit und heiratet den fast 20 Jahre jüngeren Künstler Friedrich Zundel. Jahrelang wird sie ihm später die Scheidung verweigern. Ihr eigenwilliger Lebensstil scheint ihre Kritik an den Genossen immer wieder zu entwerten. Als die SPD den Ersten Weltkrieg befürwortet, tritt sie 1917 der KPD bei. Für sie zieht sie ab 1920 ins Parlament. 1932 eröffnet sie als Alterspräsidentin den Reichstag und warnt vor der NSDAP. Die war zum ersten Mal stärkste Fraktion.
Im März 1933 wird Zetkins Haus in Birkenwerder von den Nazis durchsucht. Im Juni stirbt sie in der Sowjetunion. Im September wird das Haus enteignet. 1945 an den Sohn rückübertragen, vermacht dieser es in den 50ern dem Staat mit der Auflage, darin eine Gedenkstätte zu eröffnen. Nicht nur wird nach der Wiedervereinigung in Berlin die Clara-Zetkin-Straße in Dorotheenstraße umbenannt, auch die Gedenkstätte schrumpft bis auf das kleine Zimmerchen. Es ist das einzige Andenken an eine Frau, die nirgendwo ankam.
WALTRAUD SCHWAB
Info: Tel. (0 33 03) 50 29 20