: Union: Kompromiss ist besser als Krieg
Außenpolitischer CDU-Sprecher Friedbert Pflüger will vier Wochen mehr Zeit für Inspektoren – und ein Ende des „diplomatischen Showgeschäfts“
aus Berlin CHRISTIAN FÜLLER
Das US-amerikanische Zehntage-Ultimatum an den Irak, das mehrere Mitglieder des UN-Sicherheitsrats ablehnen, beschleunigt die Meinungsbildung in Deutschland. FDP und Union, bisher eher unklar in ihrer Haltung, haben unter dem Eindruck der festgefahrenen Situation im Sicherheitsrat ihre Positionen verdeutlicht: Die Union wirbt für einen Kompromiss – sie will vier Wochen mehr Zeit für die Waffeninspektoren um Hans Blix.
„Meine Hoffnung ist, dass man im Endspurt bis zur entscheidenden Sitzung des Sicherheitsrats am Dienstag doch noch einen Kompromiss findet“, sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Friedbert Pflüger, der taz. Das Ziel dürfe weder „Frieden um jeden Preis“ noch „Krieg um jeden Preis“ heißen. „Das Ziel ist die vollständige Entwaffung Saddams.“
Die FDP ist gleichfalls dafür, „alle diplomatischen Mittel“ einzusetzen, um einen Krieg zu verhindern. „Wenn aber die Vereinten Nationen sich zum Handeln entschließen, darf Deutschland dem Sicherheitsrat nicht in den Rücken fallen“, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt der Bild am Sonntag. Die FDP favorisiert damit unter dem Druck der USA, Großbritanniens und Spaniens einen Krieg.
Heute verhandelt der Sicherheitsrat in New York über den Resolutionsentwurf der USA, der einen Krieg gegen das Land Saddam Husseins innerhalb weniger Tage legitimieren würde. Die Bundesregierung hat den Vorschlag abgelehnt. Eine Frist bis zum 17. März „ist ein Ultimatum, das direkt in eine militärische Aktion führen wird“, warnte Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Auch die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats Frankreich, Russland und China sind mit dem US-Vorstoß nicht einverstanden – sie drohen mehr oder weniger offen mit einem Veto.
Unions-Vize Wolfgang Schäuble (CDU) forderte die Bundesregierung auf, „durch ihr Verhalten zu einer geschlossenen Haltung des UN-Sicherheitsrats beizutragen“. Friedbert Pflüger präzisierte diese Position, indem er für eine intensive Suche nach einem Kompromiss warb. Der solle sich an die Position der kanadischen Regierung anlehnen. Kanada schlägt vor, dass der Irak zusätzlich vier Wochen Zeit zur Abrüstung erhält.
Die Fortschritte im Irak, so erläuterte Pflüger die Unionsposition, seien nur durch die glaubhafte Androhung von militärischer Gewalt erzielt worden. Daher solle Irak entwaffnet werden, indem man ab sofort jeden Einzelschritt der Abrüstung des Iraks terminiert. Der maßgebliche Außenpolitiker der Union will das jeweils durch ein Ultimatum erreichen, „das der Sicherheitsrat setzt und das durch eine militärische Drohung erzwungen wird“. Genau dieses Verfahren habe seit 1. März zum Beginn der Zerstörung der Al-Samud-Raketen im Irak geführt.
Während andere Unionspolitiker weiter auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung gingen, setzt Pflüger erstmals ein Zeichen zur Einigung. Er bot Joschka Fischer und Gerhard Schröder an, „das diplomatische Showgeschäft für den Konsum im eigenen Land zu beenden“. Es sei nun an der Zeit, sagte der gerade von einer USA-Reise zurückgekehrte Außenpolitiker, „ernsthaft einen vernünftigen Kompromiss im Sicherheitsrat zu suchen. Denn es darf Saddam am Ende nicht gelingen, UNO, Nato und EU zu spalten.“
Den jüngsten Vorschlag Deutschlands, gemeinsam mit Frankreich und Russland als „Memorandum“ unterbreitet, lehnt Pflüger jedoch ab: „Das Memorandum können Sie vergessen, weil es dem Irak keine Frist setzt.“ Die Fälschungen westlicher Geheimdienste, die den Irak schwer belastet haben, bewertete Pflüger vorsichtig. „Mein Misstrauen richtet sich vor allem gegen Saddam.“
Der für Atomwaffen zuständige Inspektor Mohammed al-Baradei hatte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung unterstellt, dass die Irak-Dossiers von Tony Blair und Colin Powell gefälschte Informationen über den Bau von Atomanlagen und Urankäufe enthalten haben.
Der frühere UN-Koordinator für Irak, Hans Graf Sponeck, sprach der Bush-Regierung jeden Friedenswillen ab. „Wir erleben einen missionarischen Fanatismus in der politischen Führung. Man hat das Gefühl, als habe eine Psychose die US-Regierung ergriffen“, erklärte Sponeck im TV-Sender Phoenix. Deren Vorwurf, Irak bedrohe seine arabischen Nachbarn, werde in der Region anders beurteilt. „Und die Behauptung, das irakische Regime stelle für die USA eine potenzielle Gefahr dar, grenzt an Wahnwitzigkeit.“