: Richtung Rathaus?
Hamburgs Sozialdemokraten küren Ex-Senator Thomas Mirow zu ihrem Spitzenkandidaten für die Wahl am 29. Februar und lassen sich von Alt-Bürgermeister Henning Voscherau in Siegesstimmung versetzen
von Sven-Michael Veit
Hamburgs Sozialdemokraten haben ihren Kampfgeist wieder gefunden, Siegeszuversicht wallte gestern Nachmittag durch das Bürgerhaus in Wilhelmsburg. Mit Beifallsstürmen, wie es sie auf einem SPD-Landesparteitag lange nicht gegeben hatte, feierte die Partei sich und ihren Kandidaten.
312 von 319 Delegierten bestätigten mit ihrer Ja-Stimme Thomas Mirow als denjenigen, der ihnen die Macht im Rathaus zurückbringen möge. Als Nummer eins der Landesliste bei der Neuwahl am 29. Februar soll der 51-jährige Ex-Senator, der am 24. Oktober vorigen Jahres den parteiinternen Wettbewerb gegen seinen Konkurrenten Mathias Petersen nur knapp für sich entschieden hatte, den Kampf mit Bürgermeister Ole von Beust (CDU) aufnehmen.
Für einen „Schönheitswettbewerb“, zu dem „die Meister der medialen Ablenkung die Wahl hinmanipulieren wollen“, so Mirow, „hätte ich mich nicht angemeldet“. Er nehme die „Herausforderung“ an, die anstehende „Richtungsentscheidung für Hamburg“ zu gewinnen und für „einen Mut machenden Neuanfang für diese Stadt“ zu sorgen: „Ich traue mir zu, mehr für die Menschen in Hamburg zu bewirken als Herr von Beust.“ Eineinhalbminütige Standing Ovations belohnten Mirow, der lange als Technokrat ohne Hausmacht und original sozialdemokratischen Stallgeruch galt, für seine ungewöhnlich kämpferische und zugleich das Herz der Delegierten wärmende Rede.
Von „sozialer Balance als Fundament für wirtschaftlichen Erfolg“ sprach der Kandidat, von Chancengleichheit für alle ebenso wie über Fairness und Weltoffenheit, die in Hamburg wieder herzustellen Aufgabe der SPD sei. 400 LehrerInnen und 18.000 Kita-Plätze mehr, kein Ausverkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser, verstärkten Bau preiswerter Wohnungen oder eine Kultur des Dialogs – jedes seiner bisherigen Versprechen im Vorwahlkampf bekräftigte Mirow. Der Parteitag war dankbar.
Und das fiel den Delegierten umso leichter, als sie zuvor von einem verbalen Feuerwerk, wie es das seit sieben rhetorisch mageren Jahren nicht mehr gegeben hatte, in helle Begeisterung versetzt worden waren. Alt-Bürgermeister Henning Voscherau (1988–97) war es vorbehalten, die sozialdemokratische Seele zu streicheln. Nicht so sehr sein Lob für Mirow trug dazu bei, als er minutenlang die Meriten auflistete, welche jener sich als Senator verdient habe: AOL-Arena, Airbus-Erweiterung, Hafen-City, Hafenerweiterung in Altenwerder, Elbvertiefung, aber auch sozialer Wohnungsbau – nichts ließ Voscherau aus, um zu beweisen, „dass dieser Hamburger Leistungsträger ins Rathaus gehört“.
Die Abrechnung mit Ole von Beust war es, mit der Voscherau Entzücken verbreitete. „Wo war Ole?“, fragte er minutenlang immer wieder, als „der Schulsenator den Lehrern den Krieg erklärte“, als derselbe „den Überfall auf Kinder und Eltern durchführte“, als es gegolten habe, „der Trivialisierung der Hamburger Kultur Einhalt zu gebieten“, als „der Herr Schill Skandal an Skandal reihte“. Minutenlang reihte er unter dem Jubel der Delegierten eine Panne des Rechts-Senats an die nächste, verbunden immer mit der Frage „Wo war Ole?“ Bis einem Delegierten die Antwort einfiel: Für den Zwischenruf „auf Sylt“ wurde auch er mit Applaus und Hohngelächter belohnt.
Auf Bitten von Mirow und Landeschef Olaf Scholz war Voscherau erstmals seit Mai 1997 wieder vor die nach Zuspruch dürstende Basis getreten. Ein genialer Schachzug.