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Archiv-Artikel

Birthler goes Baghdad

Irakis wollen sich bei Aufarbeitung der Diktatur von Saddam Hussein an deutschem Stasi-Gesetz orientieren

BERLIN taz ■ Der deutsche Weg im Umgang mit den Stasi-Akten entwickelt sich immer mehr zu einem Modell auch für andere ehemalige Diktaturen. Nachdem mittlerweile die meisten Länder Mittel- und Osteuropas das Know-how der Stasi-Unterlagenbehörde von Marianne Birthler nutzen, interessieren sich jetzt auch irakische Opferverbände für einen Erfahrungsaustausch mit den deutschen Verwaltern der DDR-Hinterlassenschaften.

Gestern reiste erstmals eine Delegation der „Irak Memory Foundation“ zur Bundesbeauftragten Birthler nach Berlin. Man wolle von den Erfahrungen der Deutschen im Umgang mit Diktatur und Totalitarismus lernen, sagte Delegationsleiter Kanan Makiya im Vorfeld des Besuchs. „Wir entwickeln gerade ein Gesetz, das sich am deutschen Stasi-Gesetz orientiert. Es ist das Gesetz, von dem wir am meisten gelernt haben.“

Kanan Makiya ist Harvard-Professor und gilt als Vordenker der irakischen Oppositionsbewegung. Die von ihm gegründete Iraq Memory Foundation wolle den Irakis mit der irakischen Version eines Holocaustmuseums das volle Ausmaß von Gewalt und Verbrechen während 35 Jahren Herrschaft der Baath-Partei vor Augen führen, erklärt Makiya. Dazu gehöre auch die Sicherung und Verwaltung der Akten von Partei und Polizeikräften. Nur so, meint Makiya, könne etwas Ähnliches im Irak der Zukunft verhindert werden.

Die Aufgabe, die sich die Menschenrechtler um Makiya gestellt haben, scheint kaum lösbar. Es gilt, das Schicksal hunderttausender Opfer des Saddam-Regimes aufzuklären. Rund 300 Millionen Seiten Aktenmaterial aus den Archiven der verschiedenen Geheimdienste stellten vor allem die von den USA geführten Truppen in den letzten Monaten sicher.

Doch unzählige Akten gingen auch verloren oder dienen jetzt als Erpressungsmaterial und Grundlage für Racheakte. Darum habe sie auch nur eine einzige konkrete Empfehlung an die Opferverbände, sagt Marianne Birthler. „Am wichtigsten ist es, dass die Akten schnell sichergestellt und verwahrt werden und nicht in die falschen Hände geraten.“ Sie habe den Eindruck, dass es im Irak ein breites Interesse gebe, die Aktenbestände unter ein gemeinsames Dach zu bekommen, hatte sich Birthler schon vor dem Besuch der Delegation optimistisch gezeigt. Doch es werde sicher eine Weile dauern, bis die verschiedenen Gruppen, die sich in diesem Bereich engagieren, zusammenarbeiten. OLDAG CASPAR