: Frauen verdienen mehr!
betr.: „Fordern statt meckern“ (Frauen verdienen weniger: Feministische Klagen sind wenig hilfreich), Kommentar von Heide Oestreich, taz vom 5. 3. 2003
Hier ein paar differenziertere Zahlen, auf die Sie eigentlich selbst hätten kommen können: Nach der vom volkswirtschaftlichen Mainstream vertretenen Methode der multiplen Regressionsanalyse lassen sich null Prozent des gender wage gap durch Unterschiede in der formalen Qualifikation (ebenso unwichtig sind die Überstunden!), bis zu 20 Prozent durch Erwerbsunterbrechungen (also die unter anderem durch Betriebe verursachte Unmöglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren), bis zu 30 Prozent durch alle möglichen anderen Faktoren (überwiegend Unterschiede in der Berufs- und Branchenstruktur) und 50 Prozent überhaupt nicht erklären. Deshalb ist natürlich der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen in Höhe von 30 Prozent in vollem Umfang Ausdruck gesamtwirtschaftlicher Diskriminierung und damit ein Skandal. Erst recht gilt dies, weil sich die Verdienstunterschiede im Westen trotz erheblich besserer „Humankapitalausstattung“ von Frauen seit drei Jahrzehnten praktisch nicht mehr verringert haben.
Unerfindlich ist mir auch, warum Sie zentrale politische Strategien für Lohngleichheit, nämlich arbeitsrechtliche Regeln, die den gleichberechtigten Zugang von Frauen zu Jobs fördern (Gleichstellungsgesetz), und Maßnahmen gegen die Ausweitung von Niedriglohnbeschäftigung unter den Tisch fallen lassen. Und vor allem bin ich ratlos angesichts der Häme, mit der Sie „Aktivistinnen“ und „feministische Klagen“ verfolgen – als läge es an uns und der Tatsache, dass wir noch nicht auf Ihrem Argumentationsniveau angelangt sind, dass Gleichberechtigung und andere Menschenrechte nicht mehr „in“ sind. ULLA KNAPP, Hamburg
In den frauenpolitischen und gewerkschaftlichen Medien, die ich für meine feministischen Aktivitäten benutze, finden sich sehr differenzierte Forderungen, während in der Presse (auch in der heutigen taz!) nicht viel mehr als grobe Zahlen und platte Zusammenfassungen wiedergegeben werden. Sie kehren die alltägliche Kleinarbeit in den Verbänden unter den Tisch, die dazu dient, konkrete Verbesserungen in Einzelbereichen durchzusetzen oder eben auch den Imageverlust, der durch Kommentare wie den Ihren entsteht, wieder auszubügeln.
Was Sie „nicht skandalös“ nennen, sind Erscheinungen, die Sie vorsichtshalber gar nicht erst hinterfragen. Dabei liegen die „Skandale“ in den Ursachen, und die sind nun wirklich altbekannt: Frauen der mittleren und älteren Generation wurden in ihrer Ausbildung und Erwerbsarbeit massiv behindert durch die konservative Familienpolitik, das gesellschaftlich erwartete Rollenverhalten, Leichtlohngruppen, das Recht des Ehemannes, seiner Frau Erwerbsarbeit zu verbieten, etc. Folglich sind sie jetzt schlecht ausgebildet, dürfen aber selbst sehen, wie sie damit klarkommen. Frauen bekommen die Haus- und Familienarbeit aufgedrückt und können folglich im Betrieb seltener Überstunden machen. „Manifeste Lohndiskriminierung“ soll vermutlich „unmittelbare“ heißen. Glücklicherweise gibt es keine Leichtlohngruppen mehr, aber dafür genug Frauen, die dazu erzogen wurden, in freien Verhandlungen für sich nicht so viel Lohn zu fordern. Mittelbare Diskriminierung ist sehr wirksam, ihre Methoden sind durchaus konkret. Der allergrößte Teil der feministischen Arbeit besteht nicht aus „Pauschalanklagen“, sondern daraus, Methoden der mittelbaren Diskriminierung sichtbar zu machen und abzustellen. Ich finde sie „skandalös“, gerade weil sie für einen Großteil der Einkommensdifferenzen zwischen Männern und Frauen sorgt. Wie, wenn nicht „mittelbare Diskriminierung“, nennen Sie es denn, dass Frauen der jüngeren Generation zehn Prozent weniger verdienen als gleichaltrige Männer, und dies, obwohl sie sogar besser ausgebildet sind? Was führt denn zu „unsteten Erwerbsverläufen“ oder dazu, dass Arbeit in klassischen Frauenberufen, auch wenn sie noch so qualifiziert erfolgt, immer noch schlechter bezahlt wird als Arbeit in Männerberufen, wenn nicht mittelbare Diskriminierung? Frauen werden im Zugang zu Männerberufen selbst heute noch behindert; die Kampagne „Frauen in Männerberufe“ möchte ich nicht missen, zumal es dabei nicht „nur“ um Geld, sondern auch um Arbeitszufriedenheit geht. Schließlich ist nicht jede fürs Büro geboren. PETRA ENGELBRECHT, Osnabrück
Als ich klein war, dachte ich immer, es wäre ganz einfach: Es gab Mädchen und Jungs/Frauen und Männer. Die Mädchen spielen mit Puppen, die Jungs spielen Fußball. Die Männer verdienen das Geld und die Frauen geben es aus. Das Ganze wurde komplizierter, als meine Mutter wieder arbeitete und Geld verdiente – obwohl so ganz kompliziert dann doch nicht: Weil sie den Steuersatz meines Vaters zahlen musste, verdiente sie gerade mal so viel, dass wir ab und zu mal zum Essen ins Restaurant gingen. Wirklich Geld verdiente weiter mein Vater.
Meine Mutter ließ sich dann allerdings scheiden und machte sich selbstständig, weil das Bezirksamt, bei dem sie inzwischen Teilzeit angestellt war, keine Vollzeitkraft bezahlen wollte. Viele Frauen bleiben an dem Punkt in der Teilzeit hängen oder weiterhin völlig erwerbslos. Inzwischen ist klar, dass Mädchen Fußball spielen können. Das Problem ist, dass immer noch viele meinen, Jungs seien einfach die besseren Fußballspieler. Und oft ist es dann ja auch noch so, dass bei Männern, deren Frauen nicht oder in Teilzeit arbeiten, de facto mehrere Personen – von der Gesellschaft anerkannt – von einem Gehalt leben. Das sind Gründe, warum Männer immer noch mehr verdienen dürfen als Frauen.
Frauen argumentieren, dass sie mehr Geld verdienen wollen, „obwohl“ sie weiblich sind. Keine vernünftige Frau käme auf die Idee zu sagen, dass sie mehr will, „weil“ sie eine Frau ist, die „Ernäher“-Argumentation funktioniert für Frauen nicht. Es gibt gravierende Gründe, warum Frauen weiterhin weniger verdienen als Männer. Doch das Einzige, was der taz dazu einfällt, ist, zu behaupten, Männer seien eben qualifizierter und die Zahlen bereinigt. […] LENA PARTZSCH, Berlin
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