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Archiv-Artikel

Turbosau schafft Agrarwende nicht

Künasts Ökolandwirtschaft scheitert im Stall: Hochgezüchtete Hühner, Rinder, Schweine sind zu anfällig. Doch robustere,alte Rassen sind keine Alternative, weil sie zu wenig Geld bringen. Forscher wollen neue Zucht – und anderen Verbraucher

von MIRIAM EWALD

Einfach die Stalltür aufmachen und die Viecher auf die Wiese lassen. Schön wär’s, wenn die von Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) angeschobene Agrarwende in der Tierhaltung so einfach laufen würde. Doch die heutigen, hochgezüchteten Kühe, Hühner oder Schweine würden den plötzlichen Naturschub gar nicht verkraften.

Als Quittung für jahrzehntelange Hochleistungszucht sind die Tiere heute sehr anfällig für Stress und Krankheiten. Weil es aber keine spezielle Ökozucht gibt, stehen Turborind und -schwein nicht nur bei konventionellen, sondern auch bei Biobauern im Stall.

Diese hochgezüchteten Rassen ökologisch zu halten und zu füttern ist leichter gesagt als getan. „Kühe sind so darauf getrimmt, viel Milch zu geben, dass sie dabei mehr Energie verlieren, als sie durch artgerechtes Futter, das beispielsweise ohne Zusatzstoffe auskommt, erhalten würden“, erklärt Anita Idel. Die Tierärztin beschäftigt sich seit Jahren mit Tierforschung im Ökobereich. Gleiches gilt für Hennen, die fast jeden Tag ein Ei legen – egal ob sie etwa krank und mit der Eierproduktion gnadenlos überfordert sind.

Warum greift der Biobauer dann nicht einfach auf alte Rassen zurück, die robuster und weniger krankheitsanfällig sind? „Weil das nicht ohne weiteres möglich ist“, sagt Thomas Dosch vom ökologischen Anbauverband Bioland. Zum einen seien viele Rassen bereits vom Aussterben bedroht, zum anderen nicht auf Leistung gezüchtet. Mit ihnen ließe sich deshalb einfach nicht genug Geld verdienen.

So bleibt dem Biobauern bisher offenbar keine Wahl: Er ist noch immer von den Zielen, den Trends und den Techniken der industriellen Tierzucht abhängig. Tierärztin Anita Idel fordert deshalb: „Wer Tiere anders halten will, muss sie zunächst einmal anders züchten.“ Der Nachholbedarf für ökologische Tierzucht sei riesengroß. Damit der Biolandwirt auch von seinem Job leben könne, würden Tiere gebraucht, die nach ökologischen Kriterien gehalten werden könnten und gleichzeitig ausreichend leistungsstark seien.

Neu erfunden werden muss das Rind oder Schwein dafür nicht. Durchaus „gibt es auch bei den Hochleistungsrassen ein ökologisches Potenzial“, meint Idel. Bei den Rindern nennt sie beispielsweise die schwarzbunten Holstein-Friesen. Die geben viel Milch und verkraften schon heute eine ökologischere Haltung. Sie stehen bereits auf etwa jedem zweiten Biohof.

Eine robuste Schweinerasse kommt dagegen aus Süddeutschland: Das Schwäbisch-Hällische Schwein hat einen höheren Fettanteil als seine fleischreicheren Artgenossen und ist dadurch weniger krankheitsanfällig. Der Verbraucher allerdings liebt es heute noch wenig, weil er mageren Schinken einfach lieber kauft.

Biobauern müssen deshalb auch auf neue Marketingstrategien setzen, um den Verbraucher für die Ökotiere zu gewinnen. Das zumindest empfiehlt Günter Biedermann, Professor am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel. Alte Rassen müssten einen neuen Wert bekommen: Züchter erhalten für sie heute immer noch weniger Geld als für die Superrinder und -schweine.

Besonders schwierig allerdings wird es bei Hühnern. Die sind entweder auf viel Fleisch oder auf viele Eier programmiert. Beides auf einmal geht nicht – trotz aller Zuchtversuche. Weder Fleisch- noch Legehuhn kommen mit ökologischem Futter und mit Freilandhaltung zurecht. Ökologisches Zuchtziel sei nun „das „Zweinutzungshuhn, das nicht so schrecklich hohe Legeleistung hat und gleichzeitig genügend Fleisch erzeugt“, erklärt Biedermann. Aber auch da ist wieder der Verbraucher gefragt: Bisher bestand bei den großen Zuchtunternehmen ein geringes Interesse am „Ökohuhn“, weil der Absatzmarkt noch sehr klein ist.

Aber: Im vergangenen Jahr ist mit dem Verbot der Käfighaltung klar gemacht worden, dass es so nicht weitergehen kann. Zusammen mit dem Bundesprogamm für Ökologischen Landbau, mit dem die Bundesregierung die Agrarwende vorantreiben will, ist das zumindest ein Anfang.