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Archiv-Artikel

Sprengstoff im Schnellkochtopf

Wegen eines geplanten Anschlags auf den Straßburger Weihnachtsmarkt wurden vier algerische Angeklagte zu Gefängnisstrafen zwischen zehn und zwölf Jahren verurteilt. Mit al-Quaida aber hätten sie nichts zu tun, so der Richter

aus Frankfurt HEIDE PLATEN

Zwölf, elfeinhalb, elf und zehn Jahre Gefängnis lautete gestern Vormittag das Urteil des Frankfurter Staatsschutzsenats gegen vier algerische Angeklagte. Mit al-Qaida, betonte der Vorsitzende Richter Karl-Heinz Zeiher gleich zu Beginn, hätten die Männer „ebenso wenig zu tun wie mit Ussama Bin Laden“. Er sprach sie der Verabredung und Vorbereitung zum Mord durch einen Sprengstoffanschlag in Tateinheit mit einem Explosionsverbrechen schuldig.

Sie hätten im Dezember 2000 einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in der Straßburger Innenstadt geplant und dabei der Tod und schwere Verletzungen zahlreicher Menschen gewollt. Der Anschlag hätte sich gleichermaßen gegen die westliche Gesellschaft, gegen Juden, Christen, außerdem die algerische Staatsgewalt und Frankreich gerichtet. Die Europastadt Straßburg sei ebenso bewusst ausgewählt worden wie der Weihnachtsmarkt als christliches Symbol.

Die islamischen Fundamentalisten waren am 26. Dezember 2000 in Frankfurt verhaftet, in ihren zwei Wohnungen große Mengen Spengstoffzutaten, Zünder und Waffen beschlagnahmt worden. Dass sie, wie von drei der Angeklagten mehrfach behauptet, ein anderes Ziel, nämlich die nach dem Samstagsgebet leere jüdische Friedenssynagoge hätten treffen wollen, nannte er eine Schutzbehauptung.

Das Gericht stützte sich dabei vorwiegend auf einen Videofilm, den zwei der Männer kurz vor Weihnachten vor Ort gedreht hatten. Er zeigte An- und Abreiseweg, das Münster, Menschengruppen, Stände und Fassaden rund um den Markt und war mit Kampfparolen und -liedern unterlegt. Dass sie diese Aufnahmen nur gemacht hätten, weil sie das eigentliche Ziel, die Synagoge, nicht hätten finden können, sei „in sich absurd und widersprüchlich“. Das Gebäude sei groß genug, gut erreichbar und hätte leicht erfragt werden können. Auch sei der selbst gemischte Sprengstoff, der in einem großen Schnellkochtopf deponiert werden sollte, nicht geeignet, ein Gebäude zu sprengen, durch seine Splitterwirkung aber sehr wohl tauglich, große Menschengruppen zu verletzen. Für die gläubigen Muslime habe es außerdem keinen Grund gegeben, ausgerechnet während des Fastenmonats Ramadan dort „freiwillig“ hinzugehen und einen Verlegenheitsfilm zu drehen.

Alle vier seien gleichermaßen Mittäter. Alle hätten sie in Militärcamps in Afghanistan das Töten gelernt und seien „zum Hass gegen die Feinde Gottes“ indoktriniert worden. Sie hätten sich gekannt und seien spätestens im Dezember 2000 gezielt zur Planung der Tat in Frankfurt zusammengetroffen. Dass es dazu nicht gekommen sei, sei nicht das Verdienst der Angeklagten. Als mildernd wertete er einige Teilgeständnisse. Den Angeklagten Salim Boukhari dagegen belaste zusätzlich, dass er der Kopf der Gruppe gewesen sei. Er habe den Kontakt zu den radikalen fundamentalistischen Wortführern um den Algerier Abu Doha in London gehalten, von dort falsche Pässe, Kreditkarten, Geld und „vielleicht auch Anweisungen“ erhalten.

Dass die Gruppe von Anfang an durch V-Leute und möglicherweise auch Agents Provocateurs des französischen Geheimdienstes gesteuert wurde, sah Zeiher als nicht glaubwürdige Hypothese der Verteidigung an. Der Staatsschutzsenat hielt sich mit seiner Entscheidung insgesamt an das im Plädoyer der Bundesanwaltschaft vorgegebene Strafmaß. Und endete mit dem Schlusswort, „dass alle froh sein sollten, dass das geplante Blutbad nicht angerichtet wurde. Ich denke, unser aller Gott hat das auch nicht gewollt und verhindert.“