: Pause zum Nachdenken
Vier Abgeordnete der hessischen SPD werden wohl bald ohne Job dastehen. Zeit für ein paar Bewerbungstipps
So ein dummer Zufall. Da bietet sich einmal die reale Möglichkeit, dass in einem Bundesland tatsächlich die Mehrheiten stimmen, um eines der ältesten Atomkraftwerke der Bundesrepublik abzuschalten – und plötzlich stellt eine kleine, aber entscheidende Menge SPD-Abgeordneter in Hessen fest: Mein Gewissen erlaubt das nicht. Nicht die Abschaltung natürlich, sondern eine Kooperation mit der Linkspartei, aber das macht für die Sache keinen Unterschied. Eines scheint den vier keine Gewissensentscheidung bereitet zu haben: Ihr Mandat werden die Abgeordneten auf alle Fälle behalten. Da wären die Jobs zumindest für diese Legislaturperiode gerettet. Das Problem: Neuwahlen werden immer wahrscheinlicher und daher sollten die vier nicht zögern, Bewerbungen zu versenden. Allzu viel Arbeit wird keiner in den Bewerbungsprozess stecken müssen – schließlich sind alle hoch qualifiziert.
Jürgen Walter, 40, zum Beispiel. Als Jurist bietet sich für ihn ein interessantes Arbeitsfeld im Bereich der Wirtschaft. Ein großer Stromkonzern, der direkt vom Scheitern der rot-grünen, rot-tolerierten Landesregierung profitiert, da sein Atomkraftwerk, immerhin eines der vier ältesten in Deutschland, nicht mehr unmittelbar vom Abschalten bedroht ist, könnte Walters neuer Arbeitgeber werden. Vielleicht braucht es dafür nicht einmal eine Bewerbung: Ein Anruf bei Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und der Schritt in den Aufsichtsrat wäre nur noch eine Frage der Zeit – natürlich nur, wenn das Gewissen mitspielt.
Silke Tesch, offensichtlich zu konservativ, um eine Tolerierung durch die Linkspartei zu verkraften, darf ihre traditionellen Werte endlich wieder voll ausleben. Auf dem heutigen Stand der Pharma-Technologie ist frau auch mit 50 Jahren nicht zu alt, um ein Kind zu bekommen und sich ganz der Mutterrolle zu widmen. Positiver Nebeneffekt: Die gelernte Erzieherin kommt gar nicht erst in Versuchung, fremden Kindern von den Gefahren des Kommunismus zu erzählen.
Kaum einer der Bewerber ist so vielseitig wie Carmen Everts. Hat die 40-Jährige nicht schon für einen großen Sportartikelkonzern gearbeitet? Und eine Doktorarbeit im Bereich Extremismus und Parteien geschrieben? Das sollte sie trotzdem nicht von ihrer wahren Bestimmung abhalten: der Wohltätigkeit. Ihr malawisches Patenkind würde sich sicher über Besuch freuen. Und Ypsilanti hätte eine Sorge weniger, der sie ins Gesicht schauen müsste.
Am schwierigsten sieht die Situation für Dagmar Metzger, 49, aus. Im Normalfall wünscht man keiner Bankkauffrau, bei der momentanen wirtschaftlichen Lage eine Stelle suchen zu müssen. Doch wer glaubt, eine „dem Willen des überwiegenden Teils der Bürgerinnen und Bürger Hessens dienende Entscheidung getroffen“ zu haben, ist vielleicht gar nicht schlecht bedient, wenn er ein bisschen Zeit zum Nachdenken hat. SVENJA BERGT