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Archiv-Artikel

Nur für Schwindelfreie

Besucher im Berliner Bogen reden selten als Erstes übers Wetter – sondern über das Gebäude. Bauherr und Architekt erhielten dafür den Preis der größten Immobilienmesse der Welt. Interview mit einem, der in dem Bürobau am Berliner Tor arbeitet

Jetzt müssen sie ganz schön viel mit mir anstellen, damit ich hier kündige

von GERNOT KNÖDLER

Mit dem Berliner Bogen am Anckelmannplatz hat zum ersten Mal ein deutsches Bürogebäude den Preis der Internationalen Immobilienmesse (Mipim) erhalten. Der Preis geht an einen der bekanntesten Hamburger Architekten, Hadi Teherani, und mit Dieter Becken an einen der eifrigsten Investoren der Stadt. Bewertet wurde nicht nur die architektonische Qualität, sondern das Immobilienprojekt als Ganzes. Der Glasbau mit parabelförmigem Querschnitt wurde über einem Hochwasserbassin errichtet und ist vom S-Bahnhof Berliner Tor aus gut zu sehen. Sechs Wintergärten sorgen für einen Temperaturausgleich und erlauben es, auf Klimaanlagen zu verzichten. Die taz hamburg sprach mit einem, der seit gut einem Jahr seine Arbeitstage im siebten Stock des Glaspalastes verbringt. Andreas Kiesselbach ist bei einer Firma beschäftigt, die Software für Banken vertreibt.

Herr Kiesselbach, was hat Ihren Arbeitgeber dazu bewogen, sich im gerade errichteten Berliner Bogen einzumieten?

Wir sind unter anderem hergezogen, um uns unseren Kunden in repräsentativen Räumen zu präsentieren.

Wie reagieren Ihre Kunden?

Sehr beeindruckt. Sie schauen erst mal links und rechts raus und reden dann nicht übers Wetter, wie das sonst üblich ist, sondern über das Gebäude. Wir haben Schwierigkeiten, das Gespräch auf unsere Produkte zu lenken.

Was ist denn am Ausblick so spektakulär?

Aus jedem Büro fällt der Blick zunächst in einen trapezförmigen, in das Gebäude eingeschnittenen Wintergarten und dann auf das architektonische Gerüst: die schwungvollen Bögen, an denen das Gebäude hängt, die Halter für die Glasscheiben, die Verstrebungen. Von oben kann man sechs Stockwerke runter in alle Büros gucken, weil es nur gläserne Wände gibt. Das Interessante am Blick nach draußen ist, dass er sich ständig verändert: Wenn es regnet, laufen richtige Sturzbäche an der Fassade herunter, und wenn gerade Schnee gefallen ist, hat das oberste Stockwerk eine Mütze auf, so dass man nicht mehr hinaussehen kann.

Ist es angenehm, hier zu arbeiten?

Wir befürchteten zunächst, dass es sehr heiß werden würde im Sommer. Das ist aber nicht der Fall, weil die Fassade mit Wasser gekühlt wird. Das Ganze ist ein bisschen leblos, weil es im Erdgeschoss an Gastronomie fehlt. Wegen der isolierten Lage hinter einer achtspurigen Straße konnte man bisher keine Gastronomen motivieren, hier einzuziehen. Dabei wären die Wintergärten mit ihren großen Bäumen prädestiniert für Restaurants und Cafés. Im obersten Stock haben wir ein bisschen Probleme mit der Akustik, wegen der starken Krümmung der Außenwände. Deshalb konnten wir auch nicht mehr an allen vier Wänden Bilder aufhängen.

Stört es Sie, hinter gläsernen Wänden zu arbeiten?

Man genießt die Offenheit. Wenn einer guckt, dreht man halt seinen Bildschirm weg. Einer, der Schwindelprobleme hat, kann allerdings nicht ganz an die Kante ran, die Fenster reichen ja bis zum Fußboden.

Räumen Sie Ihr Büro besonders gut auf, weil alles zu sehen ist?

Gegenüber meinen Kollegen habe ich da keine Hemmungen und gegenüber den Kunden auch nicht. Der Vermieter hat aber bestimmte Dinge vorgeschrieben: Überall müssen die gleichen Teppiche liegen und die gleichen Deckenfluter stehen. Wir hätten uns auch gerne eine Satellitenschüssel aufs Dach gesetzt. Das durften wir nicht. Der Bogen musste erhalten bleiben.

Ihr Fazit?

Ich hab mich an meinen Schreibtisch gesetzt und gesagt: Jetzt müssen sie aber ganz schön viel mit mir anstellen, dass ich hier wieder kündige. Andererseits: Wenn die Firma jedem Kollegen statt des schicken Dienstsitzes 100 Euro Gehaltserhöhung angeboten hätte, dann hätten wir die wohl genommen.