: Transparenz ist „nicht üblich“
Im Privatisierungswahn haben die Stadt Köln und ihre großen Tochterfirmen eine Reihe weiterer Töchter gegründet oder sind an ihnen beteiligt. Die Stadt hat davon keinen Profit und kaum Kontrolle
VON WERNER RÜGEMER
Eigentlich bräuchte man sich über Privatisierung in Köln gar nicht mehr zu streiten. Die beiden größten Privatisierungsprojekte Müllverbrennungsanlage (MVA) und KölnArena/Rathaus Deutz hängen den Bürgern und der Stadt noch fast drei Jahrzehnte wie Mühlsteine um den Hals. Die privat betriebene MVA brachte Mülltourismus sogar aus Neapel und explodierende Müllgebühren. Die Umweltmoral ist am Boden: Jeder Christbaum wird verbrannt, Mülltrennung und -vermeidung sind sinnlos. Und die Korruption bei Dimensionierung und Auftragsvergabe der MVA unterhöhlt die kommunale Demokratie bis heute.
Das ebenso privat gebaute Rathaus Deutz brachte der Stadt den ungünstigsten Mietvertrag ein, der je hier abgeschlossen wurde, ungünstig jedenfalls für die Stadt. Günstig ist er für Privatbankier Alfred Freiherr von Oppenheim und seinen Baukumpanen Josef Esch, die damit die Gewinngarantie für die Anleger ihres Immobilienfonds absichern und auf diese Weise 30 Jahre lang zur zusätzlichen Verschuldung des Haushalts beitragen.
Bei solchen Privatisierungen werden die Risiken auf die Stadt abgewälzt. Das wäre wieder der Fall, wenn ein geschlossener Immobilienfonds desselben Duos die neuen Messehallen baut und die Stadt die Ausfallgarantie für die Mieten übernimmt.
Risiko wird abgewälzt
Aber Privatisierung hat viele Formen. Schon seit der Weimarer Republik sind die meisten Stadtwerke eine Aktiengesellschaft oder GmbH. Zur Stadt bzw. zur Stadtwerke Köln GmbH gehören seit 1960 die bekannteren Unternehmen Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke AG (GEW), die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), die Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) und die Köln Messe GmbH. Die Stadt ist seit Jahrzehnten Mehrheitsgesellschafter der Wohnungsgesellschaften Grubo und GAG. Hier besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu Gunsten der Stadt. Das kann auch zweischneidig werden, wenn etwa Grün-Schwarz jetzt Grubo und GAG zu noch mehr Gewinn antreibt, der dann zu Lasten der Mieter geht. Aber es zeigt sich, dass kein grundsätzlicher Widerspruch zwischen privatrechtlicher wirtschaftlicher Tätigkeit der Stadt und sozialem Auftrag besteht.
Freilich sind nach der gegenwärtigen Rechtslage die städtischen Privatunternehmen durch die Ratsmitglieder im Aufsichtsrat wenig beeinflussbar: Nach Aktien- und GmbH-Recht dürfen sie ein imperatives Mandat des Rates nicht ausüben, und sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. So war es möglich, dass die KVB bis 2002 drei Cross-Border-Leasing-Verträge abschloss, ohne dass die Öffentlichkeit etwas merkte. Der verbleibende Spielraum wird durch Postenklüngel und Überanpassung auf Null verengt. Wann immer das grüne Ratsmitglied Petra May im Aufsichtsrat der AVG Bauaufträge und Ähnliches sehen wollte, hielt ihr der damalige GEW-Chef Dieter Gauthier entgegen: „Das ist in Köln aber nicht üblich.“ Das wird belohnt: Wer wie die Fraktionschefs nebenbei vier oder fünf Aufsichtsratspöstchen sammelt, der kann ein jährliches Nebeneinkommen zwischen 8.000 und 10.000 Euro kassieren, Motto: „Kopfnicken mit Buffet“.
Im Privatisierungswahn der letzten Jahre haben die Stadt und ihre großen Tochterunternehmen eine kaum übersehbare Reihe weiterer Tochterunternehmen gegründet oder sind an ihnen beteiligt: Netcologne, Radio Köln, Kölner Sportstätten, Köln Musik, Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) und Kölner Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung. Mit der RWE hat die GEW 2002 die GEW Rheinenergie AG gegründet. Da RWE der wichtigste Stromlieferant ist, kann dies leicht zu einem Strompreisdiktat ausarten – mit Ausschluss alternativer Anbieter. Die Rheinenergie AG ist selbst schon an 16 weiteren Unternehmen beteiligt, beispielsweise an den Stadtwerken Troisdorf und an der Gas- und Stromversorgung Aggertal. Mit der Ruhrgas AG betreibt sie das Heizkraftwerk Colonia Cluj-Napoca in Rumänien. Hier überall gibt es keinen Gewinnabführungsvertrag zu Gunsten der Stadt. Die Vorstandsgehälter wachsen jenseits der 250.000 Euro jährlich: je größer das Bilanzvolumen und je zahlreicher die Beteiligungen, desto höher die Managementgehälter.
Die Stadt haftet
Allein die kleine Kölner Außenwerbung AG brachte 2002 mit 35 Beschäftigten einen Gewinn von 1,2 Millionen Euro. CDU und Grüne wollen trotzdem den 50-Prozent-Anteil der Stadt verkaufen. Gerade in Zeiten staatlichen Steuerschwundes ist der Verkauf von Unternehmen, die regelmäßige Einnahmen bringen, unsinnig. Die Perspektive der Privatisierungsfundis um CDU-Schatzmeister Peter Jungen, die auch die Stadtwerke verkaufen wollen, ist ebenso kurzsichtig wie eigensüchtig im Stile des freiherrlichen Bankiers.
Ein besonders dunkles Kapitel ist die „Gebäudewirtschaft“. Dieser Zwitter ist einerseits eine private GmbH, andererseits ein städtisches „Sondervermögen“. Der Gebäudewirtschaft gehören alle Schulen, Rathäuser, Betriebshöfe und Bürogebäude der Stadt samt Grundstücken. Der Zwitter kassiert Mieten von der Stadt und bekommt Zuschüsse für Renovierung. Und er vergibt etwa 40.000 Bauaufträge jährlich und nimmt selbstständig Kredite auf, die nicht im städtischen Haushalt auftauchen, für die aber letztlich die Stadt haftet.
Um möglichst viele Millionen an den städtischen Haushalt zu überweisen, werden hohe Mieten berechnet und die Schulen nur notdürftig saniert. Chef Engelbert Rummel (CDU) ist kein Garant für Transparenz, wie das Rechnungsprüfungsamt feststellte. Ebenso gilt dies für den Finanzausschuss des Rates, der sich unter Vorsitz von OB Schramma bei Bedarf als Werksausschuss der Gebäudewirtschaft konstituiert.
Misswirtschaft, Selbstbereicherung und Korruption sind heute in jeder Rechtsform möglich, ob privat oder öffentlich. Nach den korruptiven Privatisierungsprojekten der 90er Jahre unter der Ruschmeier-SPD-Regie und der Ausgründungs- und Verkaufsorgie unter CDU/FDP-Führung steht eine Neubesinnung an. Wie das zu machen ist? Man könnte Petra May fragen, die im MVA-Aufsichtsrat nach den Bauaufträgen fragte und keine Antwort bekam. Hätten alle Mitglieder des Aufsichtsrates gehandelt wie May, wäre die Korruption vermeidbar gewesen.