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Archiv-Artikel

SPD sucht Sinn und sich selbst

Auf der SPD-Fraktionsklausur schimpft Fraktionschef Michael Müller auf Finanzsenator Thilo Sarrazin: In Bildung und Kinderbetreuung müsse man Überausstattung künftig offensiv verteidigen – und nicht nur auf die Ausgaben schauen

Die SPD-Fraktion pflegt eine schöne Tradition: Um Richtungsentscheidungen zu treffen, verlassen die Abgeordneten die Stadt. Vor einem Jahr reisten sie nach Cottbus und rangen sich zum Ausstieg aus der teuren Anschlussförderung des sozialen Wohnungsbaus durch. An diesem Wochenende ging es nach Leipzig. Auf der Tagesordnung stehen Arbeitsmarktpolitik und Europa, aber das eigentliche Thema ist ein anderes: Soll die SPD, die in Umfragen nur noch bei 20 Prozent steht, weiterhin vor allem auf Sparpolitik setzten? Oder sollen andere Schwerpunkte die Konzentration auf die Haushaltskonsolidierung ablösen?

Gleich in seiner Eröffnungsrede schimpfte Fraktionschef Michael Müller auf Finanzsenator Thilo Sarrazin, weil der per Brief die Abgeordneten vor „Besitzstandswahrung“ gewarnt hatte. Müller ging auch Sarrazins Absicht an, die Wohnungsbaugesellschaft GSW zu privatisieren: „Ein guter Preis kann nur ein Teilaspekt sein“, ein Investor müsse sich auch für die soziale Balance der Kieze engagieren. In den Schwerpunkten Bildung und Kinderbetreuung, so Müller, müsse man Überausstattung künftig offensiv verteidigen. Und, wieder gegen Sarrazin: „Das Aneinanderreihen von Zahlen reicht nicht!“ Zu diesem Zeitpunkt war die Referentin Michaele Schreyer (Grüne) noch nicht anwesend. Sie hätte sich vielleicht an ihre Zeit in der Berliner Politik in den 90er-Jahren erinnert gefühlt, als ihre Mahnungen vor der Verschuldung bei der SPD echolos verhallten.

Angesichts der Umfragewerte ist der Ton nicht nur intern rauer geworden. Müller schalt den CDU-Vorsitzenden Joachim Zeller einen „Dorfschulzen“, weil dieser Skepsis gegenüber dem geplanten BND-Umzug in den Bezirk Mitte geäußert hatte. Und FDP-Fraktionschef Martin Lindner einen „Politclown, der an die Macht will“. Der Regierende Bürgermeister streute derweil im persönlichen Gespräch lieber Erfolgsmeldungen: 1. Dass nach Edmund Stoiber nun auch Roland Koch sich in der Föderalismuskommission für Berlin verwandt hat. 2. Dass Wowereit seine bis Ende Januar geplante Diät durchhält. ROBIN ALEXANDER