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Archiv-Artikel

Lehrjahre der Braut

Der Widerspenstigen Lähmung: In „Mona Lisas Lächeln“ gibt Julia Roberts eine Kunstdozentin, die in den Fünfzigerjahren an einem erzkonservativen College halbherzig gegen den Muff aufbegehrt

VON BIRGIT GLOMBITZA

Julia Roberts kann im Kreis lachen. Dafür ist sie da, dafür hat sie das Kino geschaffen. Ob als unschuldige Hure oder als treue Hausangestellte. Ob als flüchtende Braut, als ehrgeizige Juristin oder als clevere Sekretärin. Dieses Lächeln ist groß genug für eine Leinwand und sicher größer als die Heiterkeiten, die das Leben normalerweise für die Dienstleistenden, die sie spielt, bereithält. Und manchmal scheint es, als sei es Roberts Obolus dafür, dass die Kinogeschichten sie nicht als kleine, graue Angestellte in einem kleinen, grauen Leben, der nicht einmal ein Bauarbeiter hinterherpfeifen würde, behandeln, sondern als Julia Roberts. Als Königin der Sehnsüchte und Gagen, die es für alle Zeiten geschafft hat. Die als „Pretty Woman“ über den Dienstboteneingang ins Hochherrschaftliche gelangte und seitdem den Haupteingang nach Belieben durchschreitet.

So bleiben ihre Figuren das Ergebnis einer hübschen Andeutung, eines wunderschön kostümierten Namens. Überstrahlt durch die Insignien des Starkinos und beschränkt durch seine mythologischen Ränder. Und die verlaufen bei Roberts vor allem rund um das Pygmalion-Motiv, das ihre Erschaffung als perfekte Projektion seit „Pretty Woman“ begründete. Ihre Errettung und Endzivilisierung durch eine männliche Didaktik unterfüttert seit je ihren Figurenfundus. Und ein Film wie jetzt „Mona Lisas Lächeln“ bekommt es mit dem Dilemma zu tun, dieses Prinzip erst leugnen zu müssen, um es am Ende mit kurioser Selbstverständlichkeit wieder zu erfüllen.

Julia Roberts spielt die Berkeley-Absolventin Katherine Watson, die 1953 an einem erzkonservativen College für höhere Töchter eine Stelle als Dozentin für Kunstgeschichte antritt. Zwar trägt sie die Haare offener als ihre Kolleginnen aus der Hauswirtschafts- und Manierenabteilung, zwar schockiert sie ihre Schülerinnen mit Soutines Fleischmalereien und Pollocks Action-Paintings und legt ihren fleißigen Lieschen nahe, Familienplanung und Ausbildungswünsche zu synchronisieren. Doch wahrhaft Provokantes liegt ihr nie auf der Zunge, auch wenn die regelmäßig zusammengepressten Lippen wohl andeuten sollen, wie viele Ungeheuerlichkeiten sie sich ständig verbieten muss. Doch ihre zarten Einwände und geduckten Trotzdem lassen Katherine Watson kaum subversiver daherkommen als ein ungebügeltes Taschentuch. Gäbe es nicht die gleich zu Beginn einsetzende Gedenkrede einer Exschülerin aus dem Off, die der Hauptperson den Kampfwillen und die Unbeugsamkeit einer Leitfigur unterstellt, ahnten wir nichts vom feministischen Ikonenstatus der Pädagogin.

Sicherheitshalber vorab unter Denkmalschutz gestellt, wandelt die Erzieherin durch eine durchklischierte Gesellschaft heiratssehnsüchtiger Mädchen und alter Jüffern, die das Reaktionäre der McCarthy-Ära und die Prüderie der Eisenhower-Zeit wie 4711 aufgetragen haben. Die niederträchtigsten und frauenfeindlichsten Kreaturen rekrutieren sich nicht aus einer übergeordneten gesellschaftlichen Ordnung, sondern aus der weibliche Hackordnung selbst. Und die einzige Figur, die zum wirklichen Widerspruch taugen würde, eine lesbische Schulärztin, zieht widerspruchslos von dannen, weil das Gerücht aufkommt, sie würde Schülerinnen mit Diaphragmas versorgen.

Am Ende haben vielleicht eine Hand voll Schülerinnen erkannt, dass eine gute Partie nicht immer ein gutes Buch ersetzen kann. Die wichtigste Lektionen hat hier jedoch ihre Lehrerin selbst zu lernen: dass sie ihre Existenz als unverheiratete Akademikerin nicht zum Maßstab emanzipierter Glückseligkeit machen kann. Dass ihre eigene Kleingeistigkeit es ihr unmöglich macht, auch in einer häuslichen Existenz ein selbstbestimmtes Leben zu erkennen. Und dass ihr keineswegs überzeugendes Freiheitskonzept wohl eher das Produkt eines Seelenknackses ist, der ihrem Glück an der Seite eines Mannes im Wege steht.

Und da ist sie wieder. Eine diesmal als Kunstpädagogin verzauberte Braut (wenn auch noch ohne Pendant), die zwar die Moderne durchdatieren kann, ihre eigene Bestimmung aber erst jetzt erkennt. So packt Roberts ihre Sachen, überlässt die Erziehung eines neuen selbstbewussteren Frauentypus anderen und lächelt. Breit und befreit.

„Mona Lisas Lächeln“. Regie: Mike Newell. Mit Julia Roberts, Kirsten Dunst, Julia Stiles u. a. USA 2003, 115 Min.