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Archiv-Artikel

Kurzer Prozess

Militärgericht in der Elfenbeinküste spricht überraschend hartes Urteil gegen Polizisten wegen Mord am französischen Reporter Jean Hélène

von DOMINIC JOHNSON

Pünktlich zum heutigen ersten Jahrestag der geltenden Friedensverträge in der Elfenbeinküste hat ein Militärgericht des westafrikanischen Bürgerkriegslandes ein exemplarisches Urteil gegen staatliche Willkür gefällt. Der Polizist Séry Dago, der am 21. Oktober mitten in der Metropole Abidjan den französischen Journalisten Jean Hélène erschossen hatte, wurde des vorsätzlichen Mordes für schuldig gesprochen, muss für 17 Jahre ins Gefängnis, wird in seine Heimatregion verbannt und verliert seine Karriere und seine Bürgerrechte. Die Regierung der Elfenbeinküste muss der Familie des Ermordeten 137 Millionen CFA-Franc (210.000 Euro) Entschädigung zahlen.

Mit dem Urteil am Donnerstag abend ging das Militärtribunal von Abidjan noch über die von der Anklage geforderten 15 Jahre Haft hinaus. Séry Dago hatte am Abend des 21. Oktober 2003 den Rundfunkreporter Jean Hélène erschossen, als dieser vor dem Polizeihauptquartier Abidjans auf eine angekündigte Freilassung von Oppositionellen wartete. Die Ermittler stellten fest, der tödliche Schuss sei aus Séry Dagos Kalaschnikow gekommen und aus weniger als 40 Zentimeter Entfernung direkt in den Kopf des Journalisten abgegeben worden. Es war eine gezielte, kaltblütige Hinrichtung eines in ganz Afrika geschätzten Reporters.

Dies hatte der Polizist zunächst auch zugegeben und sich widerstandslos verhaften und anklagen lassen. Aber später behauptete er, der tödliche Schuss sei von einem „Schatten“ hinter ihm abgegeben worden. Doch vor Gericht brach diese Version schnell zusammen. Denn der Polizist konnte nicht erklären, wieso er sich von einem angeblich irgendwo versteckten Todesschützen nicht selber bedroht fühlte. Auch dass ihm am toten Jean Hélène, dessen Schädel vom Schuss zerfetzt wurde, „nichts Besonderes“ aufgefallen sei, nahm ihm das Tribunal nicht ab. Die Militärgeschworenen brauchten nur drei Tage, um zu ihrem Urteil zu kommen.

„Sie haben ein abscheuliches Verbrechen begangen!“, sagte Militärstaatsanwalt Roger Koffi dem Angeklagten. „Sie verdienen es nicht, eine Uniform zu tragen.“ Das waren mutige Worte in einem Land, wo uniformierte Sicherheitskräfte in den vergangenen Jahren viele Verbrechen an Zivilisten begangen haben.

Séry Dago war nach dem Mord zum Helden radikaler Nationalisten in der Elfenbeinküste geworden: die in Milizen organisierten so genannten „Patrioten“, die Präsident Laurent Gbagbo unterstützen, den Friedensprozess in der zwischen Regierung und Rebellen geteilten Elfenbeinküste ablehnen und die einstige Kolonialmacht Frankreich für den Urheber aller Probleme des Landes halten. Sie bildeten nach Jean Hélènes Ermordung ein Unterstützerkomitee für Séry Dago, dessen Führer ihn in der Haft bedrängten, sein Geständnis zurückzuziehen.

„Patrioten“ erschienen auch zahlreich zum Prozess. In T-Shirts mit dem Aufdruck „Séry Dago ist unschuldig“ belagerten sie das Tribunal und füllten die Publikumsränge im Gerichtssaal, wo die angereisten Angehörigen Jean Hélènes sich ziemlich verlassen vorkommen mussten. Immer wieder drohten sie, alle ausländischen Journalisten oder sogar alle Weißen in Abidjan umzubringen, sollte Séry Dago verurteilt werden.

Nach dem harten Richterspruch darf man nun gespannt sein. Mehrere der in Abidjan mit Büros präsenten ausländischen Medien sind dabei, ihren Abzug vorzubereiten.