Darkrooms im Arbeitsamt

Bildungsträger müssen „inkognito“ für sich werben und eine hohe Erfolgsquote vorweisen, um noch gefördert zu werden: Die Umsetzung des Hartz-Konzepts hat rigide Folgen für den Berliner Weiterbildungsmarkt. Politiker schlagen inzwischen Alarm

von JULIANE GRINGER

Eva-Maria Krüger ist arbeitslos. Seit zweieinhalb Jahren. Die 52-Jährige suchte in einer Umschulung zur Kauffrau in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft eine neue Perspektive. Als Vorbereitung darauf nimmt sie bei der Deutschen Angestellten Akademie (DAA) an einer Eignungsfeststellungsmaßnahme teil. Die Umschulung wurde gestrichen. „Aus der Zeitung haben wir erfahren, dass es eine Liste gibt mit Maßnahmen, die gefördert werden. Meine steht da nicht drauf.“

Diese Liste des Arbeitsamtes führt knapp 50 „förderbare Bildungsziele“ auf. Eine Vermittlungsquote in den Arbeitsmarkt von 70 Prozent ist ihnen zugrunde gelegt. „Angesichts der Arbeitsmarktsituation in Berlin ist dies kaum haltbar“, meint Michael Haberkorn, Geschäftsführer des Berliner Verbands für Arbeit und Ausbildung. Auch Politiker schlagen Alarm. Sibyll Klotz, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, meint: „Eine Quote von 70 Prozent ist absurd.“ Burgunde Grosse, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, fordert: „In Berlin muss auch in Zukunft ein Schwerpunkt in der beruflichen Qualifizierung liegen.“

Wer eine Maßnahme bewilligt bekommt, kriegt einen Bildungsgutschein, mit dem er selbst einen Bildungsträger suchen soll. Die Vorteile: mehr Wettbewerb und Markttransparenz. Doch noch ist Berlin nicht auf die neue Situation eingestellt. „Wo soll man den Schein einlösen?“, fragt nicht nur Eva-Maria Krüger. Die Zettel seien wertlos, wenn kein Träger sie annimmt, weil sich eine entsprechende Klasse nicht mehr lohnt. Schon potenzielle Träger zu finden ist schwierig. Das Arbeitsamt darf keine Adressen mehr nennen. Dort soll es schon „geheime“ Räume geben, von „Darkrooms“ wird gemunkelt. In diesen können Bildungsträger „inkognito“ Prospekte für die Arbeitslosen ablegen.

Viele Bildungsträger sind inzwischen in ihrer Existenz bedroht. „Ich musste zwei Drittel meiner Belegschaft entlassen“, berichtet Olaf Hahn von Context. Seine Sprechstunde für Hilfe suchende Arbeitslose sei brechend voll. „Es kommen jeden Tag Leute, die weinen. Umschulungen werden abgeblasen, Betroffene wissen nicht weiter, die Ämter sind überfordert.“

Für Eva-Maria Krüger und ihre Mitschüler war die Feststellungsmaßnahme wahrscheinlich umsonst. Sie haben beim Arbeitsamt um eine Erklärung gebeten. „Unsere einzige Chance wäre, einen Arbeitgeber zu finden, der uns schon jetzt – zwei Jahre im Voraus – einen Vertrag gibt“, beschreibt Klassensprecher Anthony Rennalls die Antwort.

Klaus Pohl, Sprecher des Landesarbeitsamts Berlin-Brandenburg, verweist an die persönlichen Berater beim Arbeitsamt. Die scheinen aber überfordert. „In der Klasse bekam jeder was anderes gesagt“, so Rennalls. Und rasch einen Termin zu bekommen, ist fast aussichtslos.

„Es müsste es eine Übergangsregelung geben“, fordern die Schüler. Gestern nahmen sie an einer Demonstration von Betroffenen vorm Roten Rathaus teil und sie gründeten ein Netzwerk, kontaktieren Bildungsträger, Betroffene und Firmen.