: Posten gestrichen
Der russische Präsident Wladimir Putin beruft den Menschenrechtsbeauftragten für Tschetschenien ab
MOSKAU taz ■ Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Posten des Menschenrechtsbeauftragten für Tschetschenien gestrichen. Mit der Abberufung des Amtsinhabers Abdul-Hakim Sultygow signalisiert Moskau, dass die Rechte der Bevölkerung keines besonderen Schutzes mehr bedürfen. Und wieder ist dies eine Geste des schönen Scheins. Durch die Abberufung Sultygows ändert sich an der erbärmlichen Lage der Menschenrechte im Kaukasus kein Deut.
Der im Juli 2002 ernannte Sultygow hat sich nie im Interesse seiner geschundenen Landsleute zu Wort gemeldet. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger führte er nicht einmal die Verbrechensstatistik über Entführungen, Mord und Raub an der Zivilbevölkerung weiter. Sultygow saß in Moskau und sang das Lied des Kremls, dessen zynische Auslegung der Menschenrechte er teilte. Meldete er sich zu Wort, dann als Wahlhelfer des von Moskau in manipulierten Wahlen eingesetzten tschetschenischen Präsidenten, Achmed Kadyrow.
Diesem wurde jetzt auch von Präsident Putin „die volle Verantwortung für die Gewährleistung der Freiheiten und Menschenrechte in der Tschetschenischen Republik“ übertragen. Damit hat Putin den Bock zum Gärtner gemacht. Kadyrows Schutztruppe, die seinem Sohn Ramsan untersteht, wird in der Republik inzwischen mehr gefürchtet als die russische Armee. Unzählige Morde und Entführungen gehen auf das Konto dieser so genannten Todesschwadronen.
Im Jahr 2003 wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ über 400 Tschetschenen entführt, die entweder ermordet worden sind oder als vermisst gelten. Vor wenigen Tagen wurde Informationen der Gesellschaft für bedrohte Völker zufolge die verstümmelte Leiche des tschetschenischen Menschenrechtlers Aslan Davletukaev nahe der Stadt Gudermes aufgefunden. Im Dorf Zenteroi soll der Sohn von Kadyrow ein Gefängnis unterhalten, in dem Regimegegner gefoltert und abgeschlachtet werden.
Demgegenüber versucht der Kreml seit Jahr und Tag den Eindruck von Normalität zu vermitteln. Er veranstaltet Referenden, in denen sich 90 Prozent der Bevölkerung angeblich für den Verbleib im russischen Staatsverband aussprechen oder inszeniert Wahlen, in denen 90 Prozent einen Henkersknecht zum Präsidenten küren.
Dennoch: Auch im fünften Jahr des Krieges ist Moskau nicht Herr der Lage. Nach Angaben des Innenministeriums hat sich die Situation 2003 im Vergleich zum Vorjahr verschärft. Landesweit wurden doppelt so viele Anschläge verübt, von 400 in Südrussland, 386 allein in Tschetschenien. KLAUS-HELGE DONATH
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