: Westafrika, Aufmarschgebiet für Wüstenkrieg
Nicht nur Friedenseinsätze stehen im Blickfeld der Sicherheitsstrategen. Vor allem die USA werben aktiv Freunde gegen den „Terror“
BERLIN taz ■ Westafrika ist in den letzten Jahren in den Fokus internationaler Militärinterventionen geraten. In Sierra Leone, Liberia und voraussichtlich demnächst in Elfenbeinküste stehen stattliche UN-Blauhelmmissionen. Das Eingreifen britischer Truppen in Sierra Leone 2000 und die Intervention rund 4.000 französischer Soldaten in Elfenbeinküste seit 2002 machte die Region außerdem zum Exerzierfeld für neue „robuste“ Formen von Peacekeeping, wobei Eingreifer sich vor Gewaltanwendung nicht scheuen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder betont heute die sicherheitspolitische Bedeutung Afrikas, und in Ghana wird dies mit der Eröffnung der Kofi-Annan-Friedensakademie konkret. Nach offizieller Lesart nicht nur der deutschen Regierung bedeutet Sicherheitspolitik in diesem Teil der Welt aber nicht nur die Beschäftigung mit Bürgerkriegen und Staatszerfall, sondern auch mit dem internationalen Terrorismus, der sich finanziell und politisch aus Bürgerkriegen und Staatszerfall nähren kann.
Aus dieser Sorge heraus verbreitete das Pentagon im vergangenen Juli rechtzeitig zur Afrikareise George Bushs Planungen der USA, in Afrika ein Netz kurzfristig nutzbarer Militärbasen einzurichten, um gegen mutmaßliche Al-Qaida-Zellen vorgehen zu können. Das war kurz vor dem Ende des algerischen Geiseldramas, als Mitte August 14 von radikalen Islamisten verschleppte Sahara-Touristen, darunter 9 Deutsche, in Mali freikamen. Die Geiselaffäre machte Verflechtungen zwischen Islamisten und Schmugglernetzwerken sichtbar. Mali ist seitdem zum engen Partner Deutschlands aufgerückt. Es ist zugleich eines der Länder, in denen verlassene Militäreinrichtungen aus Kolonialzeiten als für einen eventuellen US-Wüstenkrieg renovierbar bgelten.
Diesen Krieg gibt es zwar noch nicht, aber Verbündete gegen das Phantom sammeln die USA schon. Die Beziehungen zu Algerien seien so gut wie noch nie, sagte im Dezember US-Außenminister Colin Powell. Marokko und Tunesien wurden diesen Monat von der konservativen Heritage Foundation in den USA als Kandidaten für ständige US-Militärbasen genannt. In dieses Bild passt auch die Annäherung zwischen den USA und Libyen. Ihr Nebeneffekt und eventuell auch ein Motiv dahinter ist das Ende der Konfrontation zwischen US-freundlichen Staaten und libysch unterstützten Rebellen in Westafrika.
Dieses Jahr hat das US-Interesse sich ausgedehnt. Vor zehn Tagen eröffnete ein US-Militärteam in Mauretanien eine „Sahel-Initiative“, die Mauretanien, Mali, Niger und Tschad Militärausbildung und Grenzüberwachung anbietet. Mauretanien wähnt sich seit einem Putschversuch im Juni als mögliches Angriffsziel islamistischer Guerillas in der Wüste des benachbarten Mali; eine davon inspirierte Terrordrohung führte Anfang Januar zum Ausfall eines Teils der Rallye Paris–Dakar. Eng mit den USA befreundet ist heute auch Tschad, dank seiner US-dominierten Ölförderung dieses Jahr Wirtschaftswunderland Nummer eins in der Welt mit geschätzten 58 Prozent Wachstum. „Washington scheint entschlossen zu sein, Tschad zum Hinterhof zu machen“, schrieb kürzlich die Londoner arabische Zeitung al-Wasat.
Wie aus einer latenten Bedrohung eine reale werden kann, zeigte sich Anfang Januar in Nigeria. Nahe der Grenze zu Niger kam es zu Kämpfen zwischen der Armee und bewaffneten Islamisten, die versucht hatten, einen Gottesstaat nach Muster der afghanischen Taliban zu gründen. Der „Talibankrieg“ als Vorbote neuer Krisen in Westafrika? Der westafrikanischen Realität entspricht das nicht oft – der Außensicht aber immer öfter. DOMINIC JOHNSON