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Archiv-Artikel

Mehr Licht, bitte

Das Geld der großen Stiftungen blieb aus. Van Aken wird sich eine neue Arbeit suchen müssen

von FRIEDERIKE GRÄFF

Jan van Aken hat Heino getroffen, Heino und Helge Schneider, als er bei Frank Elstner eingeladen war. Er hat bei Anne Will in den „Tagesthemen“ gesessen. Er hat für die FAZ geschrieben und der Freizeitrevue ein Interview gegeben. Die Bild-Zeitung hat ihn angerufen und die Bunte. Das ist keine schlechte Bilanz, wenn man Musik macht oder Fußball spielt. Es ist großartig, wenn man einen Verein gegen Biowaffen gegründet hat. Aber es bringt kein Geld. Das Fernsehen hält das Ende nicht auf.

Man könnte sagen, dass alles 1999 angefangen hat in einem Zug zwischen Baltimore und New York, als Jan van Aken mit einem Kollegen zum Greenpeace-Solidaritätskonzert der Eurythmics gefahren ist. Sie haben über Biowaffen gesprochen, wie schon oft, und dass man etwas tun müsse, einen Verein gründen zum Beispiel. Der Kollege empfahl ihm Bekannte, die sich mit Biotechnik befassten, Edward Hammond und Susana Pimiento, und dann haben sie ihn tatsächlich gegründet, den Verein. „Sunshine Project“ sollte er heißen, das hat der Kollege vorgeschlagen, weil viele biologische Waffen von Sonnenlicht zersetzt werden. Natürlich ist es übertrieben, zu sagen, dass das Sunshine Project im Zug zwischen Baltimore und New York geboren wurde. Das Thema ist Jan van Aken immer wieder begegnet.

An der Hamburger Universität, wo er als Biologe Vorträge über Gentechnik hält. Bei der Frühstücksflockenfirma Kellogs im mittleren Westen der USA, die er für Greenpeace nach gentechnisch verändertem Mais ausspioniert. „Man stolpert darüber“, sagt er. „Wenn man eine Pflanze widerstandsfähig gegen ein Herbizid machen kann, dann liegt es nahe, zu sagen, ich kann auch Milzbrand widerstandsfähiger gegen ein Antibiotikum machen.“

Das deutsche Büro von Sunshine hat seinen Sitz in einem Gartenhaus in Hamburg-Othmarschen. Othmarschen ist ein Ort, an dem man sich Biowaffen vielleicht noch schlechter als irgendwo sonst vorstellen kann. Lange Villenreihen, Herren in blauen Wollmänteln und blonde Kinder, die an Gärtnern vorbei nach Hause laufen. Das Gartenhaus von Sunshine ist eigentlich nur ein Zimmer, links steht ein Gästebett, rechts zwei Schreibtische und dahinter ein Bücherregal. In den drei Jahren, in denen Jan van Aken das deutsche Büro aufgebaut hat, arbeitete er nebenbei noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität. Das Geld, das die Berghof-Stiftung für Konfliktforschung gegeben hat, reicht nur für eine halbe Stelle und keinesfalls für eine Familie mit drei Kindern. Das Thema Biowaffen interessiert erst einmal niemanden, zumindest nicht die breite Öffentlichkeit. Als Jan van Aken nach dem ersten Auftauchen der Milzbrandbriefe einen Vortrag hält, kommen nicht einmal zehn Leute. Als er bei Frank Elstner eingeladen ist, lässt der die Kontonummer von Sunshine Project einblenden. Drei Leute spenden. Jan van Aken hat weder Gasmasken für die verängstigten Bürger, noch kann er Saddam Hussein bekehren. Er kann nicht wie Greenpeace die Frachter mit genmanipuliertem Mais aufhalten. Biowaffen sind ein abstrakter Gegner. Van Aken hat auch nicht erwartet, dass Sunshine sich wie Greenpeace über Einzelspenden finanzieren könne. Er hat geglaubt, dass ihm die Stiftungen in Deutschland Geld geben würden.

Erst einmal funktioniert vieles gut. Unerwartet gut. Sunshine Project organisiert mit anderen NGOs eine Konferenz zu Agent Green. Das sind pflanzenschädigende Pilze, die die USA zur Vernichtung von Drogenpflanzen wie Koka oder Schlafmohn in Lateinamerika einsetzen wollen. Die Sunshine-Aktivisten informieren Parlamentarier und andere NGOs über die ökologischen Gefahren. Sie prangern an, dass damit das Biowaffen-Abkommen, das jede feindselige Anwendung biologischer Mittel verbietet, umgangen würde. Im Frühjahr 2000 bringen sie das Thema auf der Genfer Biowaffen-Konferenz zur Sprache. Es wird ein Bilderbucherfolg. Clinton koppelt die Vergabe eines Milliardenkredits für Kolumbien von den Versuchen mit Agent Green ab. Ecuador und Peru verbieten den Einsatz der Pilze in ihren Ländern. „Es war gigantisch“, sagt Jan van Aken. „Dass man mit drei so unwichtigen Leuten plötzlich den Lauf der Welt verändern kann, das passiert nicht oft.“

Manches ist Pflichtübung. Die Konferenzen zur Biowaffen-Konvention sind zäh. „Waisenverhandlungen“ nennen die Sunshine-Leute die Genfer Konferenz, weil dort gerade mal fünf andere NGOler herumlaufen. Manchmal sieht van Aken nebenan die Menschenrechtskonferenz tagen, wo sich die Tische der NGOs endlos aneinander reihen. „Da wird auch der Unterschied deutlich, wie viel Biowaffen im Verhältnis zu anderen politischen Themen zählen.“ Die NGOler sind nur bei den Plenarsitzungen zugelassen. Eine Stunde am ersten und eine am letzten Tag. Van Aken zieht in Genf seinen Seemannspullover aus und ein Jackett an. Dann steht er an den Türen der Sitzungssäle und versucht, die Diplomaten abzufangen, Informationen zu bekommen und seine Themen zu streuen. „Fürchterlich“, sagt Jan van Aken. „Es war heftig für uns, sich daran zu gewöhnen.“ Am Ende sind alle entnervt, NGOs und Diplomaten.

Van Aken ist kein Anhänger des Antiamerikanismus. Als die USA die Überprüfungkonferenz zur Biowaffen-Konvention platzen lassen, klagen die anderen NGOler über die Amerikaner, bis er es nicht mehr hören kann und aufsteht: „Nee, das sind die blöden Deutschen, die blöden Franzosen, die sich hier nicht aufraffen und ohne die Amerikaner weitermachen.“ Van Aken kritisiert die Amerikaner, aber er kritisiert genauso das Auswärtige Amt, weil es das Thema Biowaffen zu langsam und zu kleinmütig angehe. Weil es nicht die kleinen Schritte tue, die möglich wären, ohne den großen Bruder Amerika zu verärgern. Warum keine internationale Konferenz zu Kontrollmöglichkeiten im B-Waffenbereich? Warum kein internationales Forschungszentrum?

2001 ist ein schlechtes Jahr für die Abrüstung von Biowaffen. Aber es ist ein gutes Jahr für das Sunshine Project. Da Biowaffen offensichtlich kein Thema für die breite Öffentlichkeit sind, wendet sich der Verein an Fachleute. Zu einer Tagung in Dresden kommen Wissenschaftler, NGOs, Ärzte und Journalisten. Die Journalisten berichten, schlagen sogar den Bogen zur Biowaffen-Überprüfungskonferenz in Genf.

Und dann tauchen die Milzbrandbriefe auf. „Was in den drei, vier Wochen danach hier passierte, das spottet jeder Beschreibung“, sagt Jan van Aken. Allmählich wird er unwilliger, wenn die Journalisten nach Horrorszenarien fragen. Er glaubt nicht, dass pockeninfizierte Terroristen in deutschen Städten umhereilen werden.

„Dass man mit drei so unwichtigen Leuten plötzlich den Lauf der Welt verändern kann . . .“

Sunshine recherchiert Dokumente, die belegen, dass die USA ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm für chemische Waffen unterhalten, das die Chemiewaffen-Konvention verletzt. Die Ergebnisse schicken sie im Vorfeld der Konferenz der Vertragsstaaten der Chemiewaffen-Konvention an alle Diplomaten. „Wenn sie uns nicht rauswerfen, dann sind wir schlecht“, sagt Jan van Aken. Sunshine Project wird nicht zur Konferenz zugelassen. Einmal heißt es, sie hätten sich nicht rechtzeitig angemeldet. Ein andermal heißt es, der Nachweis über ihre finanzielle Lage würde fehlen. Beides stimmt nicht. Im Hintergrund zeichnet sich allmählich der Irakkonflikt ab, viele Diplomaten sind angetan von der Forderung, Waffen-Inspektoren in die USA zu schicken. Jan van Aken steht mit seinen Kollegen vor der Tür und verteilt Einladungen zu ihrem Vortrag. „Ihr seid Sunshine, klasse, wir kommen“, rufen die Diplomaten. Vielleicht werden sie die Sunshine-Unterlagen eines Tages aus ihren Schubladen ziehen und den Amerikanern vorhalten. Vielleicht.

Das Fundraising bleibt mühsam. Die Berghof-Stiftung unterstützt zwei Jahre lang. Es ist eine kleine Stiftung, eine Verlängerung ist nicht möglich. Andere geben ihnen 1.000 Euro, auch mal 4.000 Euro, das ist schön, aber es finanziert keine Stelle. Die großen Stiftungen geben nichts. „Ich habe immer wieder Anträge geschrieben, nicht nachgelassen. Wahrscheinlich hätte ich noch viel mehr anrufen, vorbeifahren müssen, persönliche Kontakte zu den richtigen Stellen aufbauen müssen“, sagt Jan van Aken. Aber er sieht nicht, wie ein Ein-Mann-Büro sich zugleich um die politische Arbeit, die Medien und die Finanzen kümmern soll. Im Mai wird das Büro schließen. „Ich habe einfach die falsche Marktlücke. Das ist ein bisschen mein Problem“, sagt Jan van Aken.

Er ist nicht fürs Jammern. Stattdessen wird er sich eine neue Arbeit suchen, es wird sich etwas finden, er kennt genügend Leute, die im Bereich Gentechnik arbeiten. Sollte der Krieg ihm nicht zuvorkommen, wird er als Waffeninspektor in den Irak gehen.

Erst einmal zieht er aus dem Gartenhaus. Manchmal, während er die Sachen zusammenpackt, denkt er an die Erfolge der Vergangenheit, an das Ende von Agent Green, an den Coup in Den Haag. Manchmal denkt er, dass es nicht wahr sein kann. Sein Verein hat gute Arbeit gemacht. „Ihr werdet euch noch umgucken“, denkt er dann. „In zehn Jahren wird es viele Staaten geben, die Biowaffen auch als Massenvernichtungsmittel einsetzen können, und dann ist das Heulen und Zähneklappern da“.