: Selbstkritik leider nicht integriert
Am Donnerstag tagt der Integrationsgipfel der Bundesregierung zum dritten Mal. Bund, Länder und Verbände bewerten ihre Leistungen. Alle benoten sich selbst, Kritik ist kaum zu erwarten. Die Integrationsbeauftragte sagt: „So viel Integration war nie“
VON SABINE AM ORDE
Die Stadtteilmütter aus Berlin-Neukölln sind ein viel gelobtes Projekt. Das Prinzip: Mütter mit Migrationshintergrund belegen einen Crashkurs in Sachen Erziehung und Bildung, dann besuchen sie Familien ihrer Community, um diese zu beraten. Das Projekt ist eines von zahlreichen guten Beispielen, die im Länderbericht zum Nationalen Integrationsplan aufgelistet sind.
Dass die Stadtteilmütter bereits im Jahre 2004 und damit lange vor dem Nationalen Integrationsplan ihre Arbeit aufnahmen, ist dafür kein Hindernis. Auf 219 Seiten berichten die Länder, was sie so alles machen in Sachen Integration: Von besserer Ausbildung der Erzieherinnen ist da zu lesen, von Deutschtests vor der Einschulung und verstärkter Arbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund. Eine kritische Reflexion der eigenen Arbeit sucht man ebenso vergeblich wie einen Wettstreit um die besten Konzepte bei gemeinsamen Anliegen wie der vorschulischen Sprachförderung.
Der Bericht der Länder ist eine der Grundlagen für den dritten Integrationsgipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für Donnerstag geladen hat. Dort soll eine erste Bilanz des Nationalen Integrationsplans vom Sommer 2007 gezogen werden. Das Problem dabei: Der Kern des Integrationsplans sind die 400 Selbstverpflichtungen aller Beteiligten – vom Bund und den Kommunen über Gewerkschaften und Arbeitgeber bis zu den Migrantenverbänden. Sie alle haben nun Berichte eingereicht, in denen sie die Umsetzung der von ihnen eingegangenen Verpflichtungen selbst überprüfen. Eine externe Evaluation gibt es nicht. Eine allzu kritische Auseinandersetzung ist am Donnerstag also nicht zu erwarten.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), erklärte am Mittwoch bereits, dass der Nationale Integrationsplan eine „enorme integrationspolitische Aufbruchstimmung“ erzeugt habe: „So viel Integration war nie.“ Doch im Vorfeld des dritten Gipfels waren auch andere Stimmen zu hören: So sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zahlreiche Versprechungen zur besseren Integration von Einwanderern noch nicht erfüllt. Der Nationale Integrationsplan sei zwar ein wichtiger Baustein, aber mit keiner Neuausrichtung der Integrationspolitik verbunden, sagte Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand.
Der DGB hat ebenso wie die Wohlfahrtsverbände und die Migrantenorganisationen in seinem Bericht grundsätzliche Kritik am Integrationsplan formuliert: Alle drei bemängeln unter anderem die Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes, die den Nachzug ausländischer Ehepartner erschwert hat – und die Ausklammerung aller rechtlichen Fragen aus dem Integrationsgipfel. Dass das Kanzleramt solche Kritik gar nicht gern hört, hat Böhmer bereits deutlich gemacht, als die taz die Kritik der Migrantenverbände veröffentlichte. „Es dient niemandem, wenn die längst bekannte Kritik an den Rechtsänderungen zum Familiennachzug und zur Einbürgerung wiederholt wird“, watschte sie die Verbände ab.
Der Bericht der Bundesländer dürfte Böhmer besser gefallen. Er wurde von den Ministerpräsidenten am 30. September verabschiedet. Zu diesem Zeitpunkt war die Zukunft der Berliner Stadtteilmütter noch ungeklärt. Das Modellprojekt läuft Ende des Jahres aus, inzwischen ist zumindest für 2009 die Finanzierung gesichert. Wie so oft steht eine Regelfinanzierung aber noch aus. Das ist dem Bericht nicht zu entnehmen.