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„Der Senat muss das promoten“

Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz drängt Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS), die Hartz-Vorschläge in Berlin umzusetzen. Zugleich fordert sie von ihrer eigenen Bundestagsfraktion eine klarere Position zu Kürzungen bei der Bundesanstalt für Arbeit

Interview STEFAN ALBERTI

taz: Beim Lesen Ihrer Parlamentsanträge bekommt man den Eindruck, der Senat habe zur Umsetzung von Hartz in Berlin nichts, aber auch gar nichts gemacht. Übertreiben Sie da nicht?

Sibyll Klotz: Nein. Denn bis vor drei Jahren hatte das Land Berlin bundesweit eine Vorreiterrolle in der Arbeitsmarktpolitik, etwa mit der Job-Rotation, die jetzt im Bundesgesetz verankert ist. Heute hat Berlin keine Stimme mehr in der bundespolitischen Debatte. Das hat auch Harald Wolf als jetziger Arbeitssenator leider nicht geändert.

In einem Antrag heißt es eher allgemein, der Senat solle seinen Einfluss auf die Bundesanstalt für Arbeit und das Landesarbeitsamt geltend machen. Wie soll das konkret gehen?

Der Senat sitzt doch im Verwaltungsrat des Landesarbeitsamtes und hat dort Einfluss auf Geschäftspolitik und Verteilung der Mittel. Außerdem könnte Wolf beispielsweise mit den anderen Arbeitsministern der Ostländer, die ja noch drastischer betroffen sind, enger zusammenarbeiten und aktiver werden.

Sie werfen der Bundesanstalt vor, sich auf die Arbeitslosengeldempfänger zu konzentrieren, also nur die teuren Arbeitslosen mit den größten Vermittlungschancen zu qualifizieren und weiterzubilden. Um mal des Teufels Advokat zu spielen: Das klingt doch logisch, weil es den Etat der Bundesanstalt am meisten entlastet.

Das ist nur betriebswirtschaftlich gedacht und blendet die volkswirtschaftliche Rechnung aus. Es gibt doch bisher gar keine Folgekostenabschätzung einer solchen Politik. Und der Irrwitz an der Sache ist ja – das habe ich überhaupt noch nicht erlebt –, dass normalerweise eine Neuausrichtung der Politik der Bundesanstalt über offizielle Rundschreiben erfolgt. Jetzt hingegen wird mehr oder weniger per „Stille Post“ vorgegeben, Zielgruppen wie Frauen und Migranten nicht mehr zu fördern und Beschäftigungsmaßnahmen auf sechs Monate zu kürzen. Und das alles ohne eine politische Entscheidung des Bundeskabinetts, der SPD oder der Grünen-Bundestagsfraktion.

Genauso wenig aber haben die Grünen in der Bundestagsfraktion oder im Parteivorstand ein „Nein“ zu dieser Entwicklung beschlossen.

Das ist richtig. Es gibt darüber aber einen zunehmenden Unmut an der grünen Basis, und ich sehe, dass er zum Teil in der grünen Bundestagsfraktion aufgenommen wird, wenn auch sehr zögerlich. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Fraktion da eine klarere Position bezieht. Ich halte im Übrigen in Zeiten dramatisch wachsender Arbeitslosigkeit eine Rückführung des Zuschusses für die Bundesanstalt auf null für falsch, genauso falsch wie eine verkürzte Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes.

Das haben Sie von der Fraktion im Bundestag schon direkt gefordert?

Ja, natürlich.

Und wie ist die Reaktion?

Die Meinungen sind unterschiedlich. Insbesondere der Arbeitskreis Wirtschaft und Finanzen der Fraktion befürwortet anders als ich den heruntergefahrenen Zuschuss. Aber es gibt auch Übereinstimmung, zum Beispiel mit dem sozialpolitischen Sprecher der Fraktion.

Klar, der muss doch qua Amt gegen die Kürzung sein.

Das sehe ich anders, auch er ist für Veränderungen. Es gibt einen großen Unmut darüber, dass es kein Gesamtpaket an Reformen gibt. In Dänemark hat man etwa den Kündigungsschutz ersatzlos abgeschafft, aber zugleich das Arbeitslosengeld über einen sehr langen Zeitraum auf einem sehr hohen Niveau abgesichert. Das passierte mit Zustimmung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Es geht also, das auch sozial vertretbar zu machen. Das Problem besteht doch darin, dass auf Bundesebene jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird und kein Gesamtbild entsteht.

Das ist doch genau das, was Wirtschaftssenator Wolf gemeint hat, als er nach Bekanntwerden der neuen Rekord-Arbeitslosenzahlen den Bund aufforderte, mit seinen Reformplänen zu Potte zu kommen.

Herr Wolf kann gerne kritisieren, und wenn wir uns da an gewissen Stellen treffen, mache ich da überhaupt keinen Hehl draus. Er wird aber nicht ausschließlich dafür bezahlt, Kritik an der Bundesebene zu üben, sondern auch dafür, die Hartz-Vorschläge in Berlin vernünftig umzusetzen. Und das tut er nicht.

Was sollte er etwa machen?

Wir haben uns mal die Zahl der Überstunden errechnen lassen, die in Berlin jährlich anfallen: 67 Millionen. Wenn nur ein Drittel davon in Arbeitsplätze umgewandelt würde, gäbe das rechnerisch 16.000 zusätzliche Stellen. Wir appellieren schon seit vielen Jahren an die Unternehmen, das zu tun – sie lehnen das ab, aus Kündigungsschutzgründen oder wegen der schwachen Konjunktur. Deswegen sagen wir: Dann ist es besser, Auftragsspitzen durch Zeitarbeitsfirmen aufzufangen statt durch Überstunden.

Das ist keine neue Möglichkeit. Warum sollten Firmen dafür jetzt aufgeschlossener sein?

Sie sind es ja zum Teil, aber es fehlt eine öffentliche Diskussion über diese Möglichkeit. Wer Zeitarbeit stärker in eine solche Richtung nutzen will, muss sich mit den Akteuren, IHK, Unternehmerverband, aber auch dem DGB an einen Tisch setzen. Der Senat muss das thematisieren und promoten. Politik ist doch neben Entscheidungen und Verwaltungshandeln nichts anderes als Kommunikation von Ideen.

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