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Archiv-Artikel

Rebellen gegen Milizen im Osten Kongos

Kämpfe in Nord-Kivu neu aufgeflammt, Zehntausende auf der Flucht. Tutsi-Rebellen drängen bei Rutshuru regierungstreue Hutu-Milizen zurück. Die halten einen deutschen Journalisten als Geisel, den sie am Dienstag auf offener Straße entführten

VON DOMINIC JOHNSON

Der Waffenstillstand zwischen Regierungsarmee und Rebellen des CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) unter Tutsi-General Laurent Nkunda im Osten der Demokratischen Republik Kongo hält nur noch bei der Provinzhauptstadt Goma – ansonsten toben wieder schwere Kämpfe. Die CNDP-Rebellen haben einen Angriff der kongolesischen Hutu-Miliz Pareco (Kongolesische Widerstandspatrioten) auf die Distrikthauptstadt Rutshuru zurückgeschlagen und befanden sich gestern westlich von Rutshuru auf dem Vormarsch. Zehntausende Menschen befanden sich nach UN-Angaben infolge der neuen Kämpfe auf der Flucht.

Die Pareco besteht aus kongolesischen Hutu, die die Tutsi des CNDP bekämpfen und traditionell mit Kongos Regierungsarmee zusammenarbeiten, von der sie aufgerüstet werden. Sie hatten am Dienstag den Ort Kiwandja angegriffen, der mit 35.000 Einwohnern nur vier Kilometer westlich der 100.000 Einwohner zählenden Distrikthauptstadt Rutshuru liegt. Rutshuru und Kiwandja waren am Dienstag vergangener Woche vom CNDP erobert worden. Kiwandja gilt traditionell als Milizenhochburg; bis zum Einmarsch der CNDP-Rebellen befanden sich am Rand des Ortes gigantische Hutu-Flüchtlingslager. Diese sind von den Tutsi-Rebellen aufgelöst worden.

Beim Pareco-Angriff auf Kiwandja wurde der Afrika-Korrespondent der FAZ, Thomas Scheen, von den Milizionären gekidnappt, zusammen mit mindestens einem kongolesischen Journalisten. Lokale Quellen berichteten der taz, die Journalistengruppe sei auf der Hauptstraße Kiwandjas überfallen und verschleppt worden, während sie Interviews mit einem CNDP-Verantwortlichen führte. Die FAZ bestätigte gestern die Entführung. Das Auswärtige Amt in Berlin hat seinen Krisenstab eingeschaltet. Die CNDP erklärte am Mittwoch, die „Koalition“ aus kongolesischen Regierungstruppen und Milizionären habe „nach ihrer Niederlage Geiseln mitgenommen, darunter einen belgischen Journalisten“. Scheen besitzt die belgische Staatsbürgerschaft.

Ein Sprecher der UN-Mission im Kongo (Monuc) sagte der taz gestern, Scheen werde fünf Kilometer außerhalb von Kiwandja festgehalten: „Offenbar ist er lokalisiert worden, er ist am Leben und wird nicht bedroht.“ Man sei dabei, Kontakt zu den Entführern aufzunehmen. Der traditionelle König der kongolesischen Hutu, Mwami Paul Ndeze, sagte der taz, die CNDP habe den Chef der Entführer gefangengenommen. „Nun haben die Entführer keine Wahl mehr, als ihre Geiseln freizulassen“, meinte er.

Bis Mittwochabend hatten die CNDP-Rebellen die Kontrolle über Kiwandja wieder hergestellt. Die meisten Bewohner des Ortes waren da schon ins nahe Rutshuru geflohen. Die anderen mussten in ihren Häusern bleiben, während die Rebellen von Tür zu Tür gingen und nach Hutu-Milizionären suchten, wurde berichtet. Gestern war Kiwandja offenbar ruhig – und menschenleer. Es gab Berichte über einzelne Leichen auf den Straßen. Die Rebellen rückten derweil weiter nach Westen vor und nahmen den Ort Nyanzale ein, der an einer wichtigen Verbindungsstraße liegt.

Weiter südlich in Richtung der Provinzhauptstadt Goma, 80 Kilometer von Rutshuru entfernt, war die Lage derweil entspannt. Augenzeugen berichteten, in dem von Zehntausenden Flüchtlingen überlaufenen Ort Kibumba nördlich von Goma im Rebellengebiet sei gestern wie jeden Donnerstag der Markt gut besucht gewesen. Es finde ein reger Verkehr von mit Lebensmitteln beladenen Lastwagen zwischen Rutshuru und Goma statt.